Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll140. Sitzung / Seite 172

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Grosz: Dabei habe ich noch gar nicht geredet! – Abg. Ing. Westenthaler: Sie sollten sich noch ein paar Ordnungsrufe für den Kollegen Grosz aufheben!)

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Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Zinggl zu Wort. – Bitte.

 


16.20.39

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Vielleicht ist die völlige Unab­hängigkeit des öffentlichen Rundfunks von politischer Macht tatsächlich ein Mythos, eine Illusion, und trotzdem glaube ich, dass wir uns sukzessive diesem Ziel nähern müssen.

Das ist genau so wie mit der Gerechtigkeit: Wir können uns gar nicht vorstellen, was die totale Gerechtigkeit bedeuten würde – ganz unabhängig davon, ob wir das überhaupt wollen –, und trotzdem hat die Menschheit das Ziel, immer gerechtere Gesetze auszuarbeiten. Wenn wir uns die Gesetze von heute ansehen und sie mit denen des 19. Jahrhunderts vergleichen, dann werden wir das bestätigen. Und wenn man die des 19. Jahrhunderts mit denen des Mittelalters vergleicht, dann sehen wir es noch deutlicher. Das heißt, es zahlt sich aus, etwas asymptotisch anzustreben, das man in seinem Endzweck vielleicht gar nicht haben möchte.

Und genau so ist es mit der Unabhängigkeit eines öffentlichen Senders. Es ist doch unser aller Ziel, uns in Richtung der Unabhängigkeit von der Politik zu bewegen, auch wenn wir das nie erreichen. Aber einiges ist schon gelungen, wenn wir bedenken, dass noch vor 50 Jahren der Rundfunk komplett in Rot und Schwarz aufgeteilt war. Noch 1963 hat es ein Abkommen zwischen dem damaligen Bundeskanzler Gorbach und Vizekanzler Pittermann gegeben, demzufolge alle Leitungspositionen zweigeteilt waren. Es gab also eine schwarze Leitung und eine rote Stellvertretung oder einen roten Leiter und eine schwarze Stellvertretung. Von Frauen war damals natürlich überhaupt keine Rede.

Aber beim Volksbegehren 1964 war es dann die Zivilgesellschaft, die gesagt hat: Stopp, so geht es nicht weiter! Wir wollen den Rundfunk aus dieser parteipolitischen Umklammerung lösen. Es ist vielleicht ein Zufall, aber es war dasselbe Jahr, in dem Bob Dylan seinen Song „The Times They Are A-Changin’“ herausgebracht hat. Und mit diesem Song wendet er sich auch an die Politik (Abg. Dr. Pirklhuber: Richtig!), indem er in der dritten Strophe sagt, die Politik soll sich doch einmal umschauen und soll den Weg freimachen für dringend notwendige Reformen, die an den Fenstern und an den Mauern rütteln. (Abg. Ing. Westenthaler: Da hat er sicher den ORF besungen!) – Naja, den ORF nicht.

„It’ll soon shake your windows and rattle your walls

For the times they are a-changin’.“ – (Abg. Ing. Westenthaler: Vielleicht kann man das kurz einmal anstimmen? – Heiterkeit des Abg. Dr. Cap.)

Da geht es darum, dass die Politik den Weg freimachen soll für etwas, das der Bevölkerung ohnehin schon klar ist.

Es hat dann in Österreich noch zwei Jahre gebraucht, von 1964 bis 1966, um den Weg freizumachen für etwas, was die Bevölkerung längst wollte. Und vielleicht darf ich Sie, Herr Bundeskanzler Faymann, heute auf Folgendes aufmerksam machen. Ich habe mir gestern angeschaut, wie Bundeskanzler Gorbach damals argumentiert hat. Er tat das nämlich mit dem gleichen Argument – oder mit einem sehr ähnlichen –, wie Sie es heute verwendet haben: Ein staatlicher Rundfunk wird ja wohl von einer repräsen-


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