Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll153. Sitzung / Seite 38

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Klubobfrau Dr. Glawischnig-Piesczek gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


9.44.20

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bun­des­ministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Frau Finanz­ministerin, kennen Sie das achte Gebot? Ich nehme schon an. Können Sie es sagen, das achte Gebot? – „Du sollst nicht stehlen.“ (Abg. Großruck: Du sollst nicht Grün wählen!) „Du sollst nicht stehlen“, das gilt, glaube ich, für österreichische Steuer­hinter­zieher, für Steuerhinterzieher aus Deutschland, die in Österreich ein Konto haben, für italienische Steuerhinterzieher, die hier vielleicht ein Konto haben. „Du sollst nicht stehlen“ sollte europaweit gelten. Und deswegen sollte es auch europaweit ein gemein­sames Vorgehen gegen Steuerhinterziehung und gegen Steuersünder geben. – Das ist unsere Position. (Beifall bei den Grünen.)

Die Scheinheiligkeit von Ihnen, jetzt davon zu reden, dass es keine bessere Lösung gäbe, die schreit aus meiner Sicht wirklich zum Himmel, weil Sie genau mit dieser Vor­gangs­weise ein gemeinsames Vorgehen der Europäischen Union gegen die soge­nannten Steueroasen verhindern. Es wäre ein ganz anderes Auftreten der Europä­ischen Union möglich, würden Österreich und Luxemburg den Widerstand dagegen aufgeben, im Rahmen der Europäischen Union genau gegen solche Steuersünder europaweit vorzugehen. Und ich glaube, das sollte unser Ziel sein.

Kollege Krainer, ich wünsche Ihnen übrigens gute Besserung mit Ihrem Bein – ich weiß nicht, was passiert ist –, aber der Unterschied zwischen Ihnen und der deutschen Sozialdemokratie ist, dass die deutsche Sozialdemokratie mit ganz großer Leiden­schaft und Energie dieses Abkommen in Deutschland bekämpft (Abg. Großruck: Weil sie in Opposition ist! Weil sie keine Verantwortung trägt!), und zwar im Bundesrat – und es ist noch nicht beschlossen –, nämlich mit genau dem wichtigen und richtigen Argument: Es ist höchst ungerecht. – Und das ist es auch in Österreich. (Beifall bei den Grünen.)

Vielleicht erinnert sich noch jemand, im Jahr 2010 gab es eine Novelle im Finanz­strafrecht, und das Finanzstrafrecht sieht jetzt Folgendes vor: Bei Hinterziehung von einer Steuerschuld über 100 000 € sind zwingend Haftstrafen vorgesehen. Zwingend Haftstrafen – das österreichische Finanzstrafrecht ist sehr, sehr scharf. Gemäß diesem Abkommen, wie Sie es jetzt vorgesehen haben, wird jemand, der in Österreich vor fünf Jahren 100 000 € an der Steuer vorbei schwarz verdient hat, durch das Abkommen 15 Prozent zahlen müssen: Es bleiben ihm über 100 000 € übrig – 102 000 € –, weil er auch keine Kapitalertragsteuer zahlen muss.

Jemandem, der in Österreich ehrlich 100 000 € verdient hat, sie ehrlich versteuert hat, bleiben nach dem österreichischen Recht genau 57 500 € übrig, also gerade einmal die Hälfte. (Zwischenrufe der Abgeordneten Wöginger und Höfinger.– Ich finde das höchst ungerecht. Das ist absolut ungerecht. Geben Sie daher Ihren Widerstand in der Europäischen Union auf, und gehen wir gemeinsam gegen Steueroasen vor! (Beifall bei den Grünen.)

Wie oft habe ich das von konservativen Politikern gehört: Wir müssen gegen die Finanzmärkte auftreten! – Und eines der wichtigen Elemente davon ist: Steueroasen auszutrocknen. Mit Ihrem seltsamen Beharren auf einem Bankgeheimnis, das nur Steuerhinterziehern aus anderen Ländern in Österreich nützt – das hat nämlich mit dem österreichischen Steuerzahler originär gar nichts zu tun –, schützen Sie aber, in erster Linie, deutsche Steuerhinterzieher und italienische Steuerhinterzieher; vielleicht auch russische Steuerhinterzieher, das ist aber noch nicht verhandelt. Genau die schützen Sie mit diesem falschen Beharren auf einem Bankgeheimnis, das in die völlig


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