Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll155. Sitzung, 15. Mai 2012 / Seite 43

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

wieder erleben, dass die Bundesregierung offenbar bei wichtigen Themen, bei Themen, die die Bevölkerung wirklich maßgeblich berühren und wo die Bevölkerung Mitsprache begehrt und wünscht, vom hohen Ross aus handelt, einfach drüberfährt und sagt: Das haben wir nicht notwendig, das wollen wir nicht, da wollen wir die Bevöl­kerung nicht mitreden lassen.

Ich sage das ganz bewusst: Wir erleben heute neben der Währungs- und Finanzkrise in Europa auch eine ernst zu nehmende Demokratiekrise. Diese müssen wir ernst nehmen, denn die Menschen sind zu Recht wütend, weil sie immer wieder erleben, wie vom hohen Ross herunter regiert wird, wie Regierungen im Sinne eines Proporzes verfahren und über die Meinungen und Interessen der Bevölkerung drüberfahren.

Ich sage: Das muss aufhören! Wir müssen aufhören – oder besser gesagt Sie, denn Sie wehren sich und sperren sich gegen direkte Demokratie und verbindliche Volks­abstimmungen –, Sie müssen aufhören, vom hohen Ross herab Politik zu betreiben! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, das ist eine ganz, ganz wesentliche Frage, wo Sie hoffentlich auch bereit sind, umzudenken. Ich sage, es ist zumindest interessant, wenn wir unsere Initiativen seit dem Jahr 2005 mit über 30 Anträgen ansehen, wo wir jetzt auch quer durch Österreich eine sehr offensive Kampagne für direkte Demokratie und verbindliche Volksabstimmungen begonnen haben, dass zumindest Bewegung in diese Diskussion und Debatte kommt und offensichtlich jetzt auch der Herr Bundeskanzler, aber auch der Herr Vizekanzler beginnen, sich damit auseinanderzusetzen.

Ich hoffe nur nicht, dass das eine Art Placebo-Debatte wird, wenn es um direkte Demokratie geht, denn wenn Sie, Herr Bundeskanzler, meinen, dass eine verpflich­tende Volksabstimmung über ein Volksbegehren erst ab 700 000 Unterschriften und Unterstützungserklärungen zustande kommen soll, dann, meinen wir, ist das im Wesentlichen eine Verhöhnung der Menschen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ein Verhinderungsprozess für direkte Demokratie, der von Ihnen diskutiert wird, den wir so nicht nachvollziehen können. Warum? – Wir haben in der Schweiz eine gelebte direkte Demokratie mit verbindlichen Volksabstimmungen, wo ab 100 000 Unterstützern auch eine Volksabstimmung erzwungen werden kann. Das jeweilige Ergebnis dieser Volksabstimmung ist dann auch verbindlich und, gleich von welcher Regierung, gleich mit welchen Parteien besetzt, auch umzusetzen. Das ist das Initiativ­recht der Schweizer Bevölkerung, welches wir auch in Österreich verankert wissen wollen.

Es ist daher gerade diese Höhe, die Sie jetzt in die Diskussion gebracht haben – gemeinsam mit dem Herrn Vizekanzler Spindelegger, der von 10 Prozent der Bevöl­kerung spricht, das sind dann in etwa 650 000 Unterstützungserklärungen, die not­wendig wären –, im Wesentlichen ein Verhinderungsmechanismus.

Wir haben ganz bewusst gesagt, wenn wir heute bei Volksbegehren 100 000 Un­terstützungserklärungen benötigen, damit eine Behandlung hier im Parlament stattfinden kann, dann ist das eine Grenze, die für die Bevölkerung nachvollziehbar ist. Da sollte man auch, im Sinne der direkten Demokratie, noch einige Verbesserungen treffen und sicherstellen, dass Antragsteller bei Volksbegehren auch hier im Hohen Haus ein Rederecht erhalten, wenn Sie die Hunderttausendergrenze überschreiten.

Volksabstimmungen sollten aber ab 250 000 Unterstützungserklärungen verbindlich notwendig werden. Warum die Zahl 250 000?  Wir haben eine gesetzliche Definition, dass bei 4 Prozent Unterstützern im Zuge einer Nationalratswahl eine Partei heute hier im Hohen Haus vertreten sein kann und vertreten sein muss. Das ist eine gute Grenze, die da eingezogen wurde. Diese 4 Prozent entsprechen in etwa 250 000 wahlberech-


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite