Daher muss man sich entscheiden – auch bei dieser Debatte –, auf welcher Seite man steht (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP): Steht man auf der Seite der Ernsthaftigkeit und der Entscheidungsfähigkeit der Politik, oder glaubt man, eine Wahl damit gewinnen zu können, indem das Chaos überwiegt?
Das ist eine politisch ernsthafte Diskussion, dass Richtungsentscheidungen wie zum Beispiel die Frage des Beitritts der Türkei – das ist eine Richtungsentscheidung – sehr wohl auch in einem Land, das das zu ratifizieren hat, zu treffen sind. Daher haben wir beispielhaft vereinbart – auch in unserem Regierungsabkommen –, dass etwa das Ansinnen einiger Länder – und es gibt ja in einigen Ländern immer wieder die Diskussion darüber –, die Türkei zu einem Mitglied in der Europäischen Union werden zu lassen, dass eine derartige Richtungsentscheidung, die also von der täglichen Handlungsfähigkeit weg und in Richtung Zukunft geht, sehr wohl einer Volksabstimmung unterzogen werden sollte.
Wie Sie wissen, kann ich mir darüber hinaus auch eine Reihe anderer Themen vorstellen, weil ich es durchaus für sinnvoll erachte. Aber: Wir haben zum Beispiel den Beitritt zur Europäischen Union beschlossen, und ein Grundkonzept der Europäischen Union ist das Ziel einer gemeinsamen Währung. Wenn man dann viele Jahre später, nachdem die Vorteile der gemeinsamen Währung ausgekostet wurden – durch gute Exportzahlen, durch Wirtschaftswachstum, für viele Länder durch günstige Zinsen für ihre Staatsschulden –, auch gemeinsam einstehen muss für die Nachteile einer gemeinsamen Währungszone und dann die Leute jedes Mal fragt, ob sie jetzt auch den Nachteil wollen oder nicht, das ist nicht seriös. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.)
Daher ist politisch eine grundsätzliche Frage der direkten Demokratie zu beantworten: Die Bevölkerung hat zu Recht europaweit – aber auch in Österreich – den Wunsch, dass sie stärker einbezogen wird (Zwischenruf des Abg. Mag. Stefan), aber ich kenne niemanden – Sie vielleicht ausgenommen –, der meint, man soll direkte Demokratie zur Zerstörung von Handlungsfähigkeit einsetzen, und genau um diese Diskussion wird es gehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Also in der Schweiz ist das nicht der Fall! In der Schweiz gibt es keine …!) – Die Schweiz hat eine ganz andere Entwicklung, und auch ich kann mir durchaus vorstellen, dass bei uns eine stärker direktdemokratische Entwicklung einsetzt.
Die Schweiz ist nicht Mitglied der Europäischen Union, die Schweiz ist nicht Mitglied der Eurozone, hat ganz andere Rahmenbedingungen (Zwischenruf des Abg. Strache) – das hat Vorteile, aber auch Nachteile. Die Schweiz hat durchaus eine Reihe von Nachteilen, und zu den Nachteilen gehört, dass sie Hunderte Einzelverträge mit der Europäischen Union braucht und jedes Mal darauf angewiesen ist, dass diese auch abgeschlossen werden. (Abg. Strache: Niedrigste Arbeitslosigkeit! 3 Prozent!) – Bei der Arbeitslosigkeit, Herr Strache, auch wenn es Ihnen nicht passt, können Sie auch das gute Beispiel unserer Heimat nennen, nämlich Österreich, da brauchen Sie nicht in die Schweiz zu schauen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stefan.)
Zusammenfassend möchte ich sagen: Ich halte diese Diskussion für sehr wesentlich. Die Mitglieder der Regierung und ich als Bundeskanzler, wir werden uns aktiv an dieser Diskussion beteiligen, aber es ist natürlich eine besondere Aufgabe der Abgeordneten dieses Hauses – und das ist nicht ein Abschieben von einem zum anderen, darum sage ich auch, ich werde mich als Bürger dieses Landes, als Regierungschef dieses Landes aktiv beteiligen –, über die Parteigrenzen hinweg eine Diskussion darüber zu führen, wie Sie als gewählte Abgeordnete es sehen, dass zwischen den Wahltagen das vorhandene Instrument der direkten Demokratie ausgebaut und so vernünftig eingesetzt wird, dass sich nicht die Frage stellt, mehr Demokratie und weniger Handlungsfähigkeit, sondern dass gilt: direkte Demokratie zur
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