Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll155. Sitzung, 15. Mai 2012 / Seite 50

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

Sebastian Kurz hat die Frage Volksbegehren versus Volksabstimmung hier dargelegt (anhaltende Zwischenrufe – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), wobei ich auch sehr dafür bin – sachliche Diskussionen sind dann gerne willkommen –, dass die Frage der effizienteren Gestaltung der europäischen Bürgerbeteiligung im Hinblick auf eine tatsächliche Gesetzesinitiative mit im Fokus behalten wird. (Zwischen­ruf des Abg. Scheibner.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Überschrift heißt, Bürgerbeteiligung ist in Hinkunft nicht die Ausnahme, sondern die Regel, dann könnten wir eigentlich unter dieser Prämisse gemeinsame Vorgangsweisen finden. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Scheibner und Grosz.) Wir können da auch – das wurde schon kurz angesprochen – die Frage Internet mit hereinbringen, nämlich dass das Internet hinsichtlich der parlamentarischen Arbeit und Tätigkeit – auch der Behörden – mit hereinspielt. E-Government hat da ja einen ersten guten Ansatz gebracht.

Fragen des Wahlrechts und des politischen Systems sind wahrlich nicht eine Diskus­sion der letzten Stunden und Tage. Es gibt Wahlordnungen etwa mit einer Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts in Niederösterreich, aber auch in den Städten Graz und Innsbruck. Die Debatte Verhältniswahlrecht versus Mehrheitswahlrecht war in der Vergangenheit bisweilen unter Kennern eine leidenschaftliche; aber da haben sich die Standpunkte auch ein wenig verschoben.

Ich zitiere jemanden, der immer sehr profund und sachkundig für ein Mehr­heits­wahlrecht gekämpft hat; aus einem aktuellen Artikel darf ich Professor Dr. Heinrich Neisser wiedergeben:

Die Wahlrechtsreform ist seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner, und das Anliegen einer Personalisierung des Wahlrechts ist unverändert. Allerdings hat sich die Diskussion um das Mehrheitswahlrecht geändert. Es ist mehr das Plädoyer für mehrheitsfördernde Elemente, und ich selber – so Heinrich Neisser – bin von dem Gedanken eines reinen Mehrheitswahlrechts eigentlich abgerückt. (Ruf: Ja, warum?) Das konnte man in den siebziger Jahren, als es drei Parteien im Parlament gegeben hat, vertreten, inzwischen hat sich die Landschaft geändert. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Heinrich Neisser weiter: Ich möchte keine Wahlrechtsreform, die kleine Parteien aus der Landschaft verschwinden lässt oder ihnen den Zugang in die politische Arena erschwert. – Zitatende.

Ich glaube, dass wir uns dem durchaus anschließen können. Verhältniswahlrecht – es denkt, glaube ich, niemand mehr daran, dieses zu ändern.

Sie, Herr Klubobmann, haben unter Zitierung des Artikels 1 der Bundesverfassung gesagt, das Volk könne nicht mehr mitentscheiden, das Recht ginge nicht mehr vom Volk aus; Sie sind der Repräsentant, der gewählte Repräsentant – aber richtig ist auch, dass wir zwischen den Wahlzeiten die Instrumente der direkten Demokratie jedenfalls zu stärken haben.

Wahr ist auch, dass die repräsentative Demokratie der harte Kern unseres politischen Systems ist, und – Hand aufs Herz, liebe Kolleginnen und Kollegen! – der Adressat für Veränderungen bleiben immer noch die gewählten Abgeordneten hier im Hohen Haus.

Kelsen hat in seinem Buch „Vom Wesen und Wert der Demokratie“ geschrieben:

„Innerhalb der demokratisch-parlamentarischen Republik ist das Problem des Parla­mentarismus eine Schicksalsfrage. Davon, ob das Parlament ein brauchbares Werkzeug ist, die sozialen Fragen unserer Zeit zu lösen, davon hängt die Existenz der modernen Demokratie ab.“

 


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite