Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll155. Sitzung, 15. Mai 2012 / Seite 61

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Ich komme schon zum Schluss. – Ich amüsiere mich sehr darüber, dass man die direkte Demokratie mit dem Kampfbegriff der Handlungsfähigkeit hier bekämpfen will, denn wir haben ja die Handlungsfähigkeit der 27 Spitzenkrisentreffer und deren Ergebnisse gesehen. Aber etwas muss klar sein: Wenn die Bevölkerung die Ver­pflichtung hat, all diese Dinge auszubaden, die beschlossen werden, dann muss sie auch das Recht haben, darüber mitzuentscheiden. (Beifall bei der FPÖ.)

10.10


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. – Bitte.

 


10.10.41

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Die Politikverdrossenheit hat sicherlich mehrere Ursachen. Während die einen die Parteienlandschaft nicht mehr aushalten, haben die anderen große Verachtung für die Korruptionsanfälligkeit mancher Politiker und Politikerinnen. Aber es kommt sicherlich noch etwas hinzu: Wir haben ein wahrscheinlich schon ziemlich veraltetes demokratisches System, das einfach mit den technischen Möglichkeiten, die durchs Internet entstanden sind, nicht mithalten kann. Via Internet können sich Bürger und Bürgerinnen zunehmend an Netz-Communities beteiligen, werden von den Parteien nicht mehr bevormundet, eman­zipieren sich gegenüber den Medien und entwickeln Foren, in deren Rahmen sie mit ihren politischen Meinungen letztendlich dazu beitragen wollen, das politische Wirken hier im Lande mit zu beeinflussen. Und genau das ist mit dem System, das sie heute haben, nicht möglich.

Ich denke jetzt etwa auch an die Frustration, die entstanden ist, weil Petitionen und Bürgerinitiativen hier in diesem Haus praktisch keinen Erfolg haben. Die Grünen haben in den achtziger Jahren diese Instrumentarien und diese Möglichkeiten eingebracht. Aber wenn heute ein Bürger oder eine Bürgerin ein Anliegen hat, sich einsetzt und viel Energie aufwendet, um hier irgendetwas durchzubringen, dann hat das kaum Erfolg. Alles wird scheinheilig abgewimmelt. Und genau dadurch entsteht Frustration.

Ich erinnere beispielsweise an das jetzige Bildungsvolksbegehren: Dieses hat immer­hin 450 000 Unterschriften, aber kaum einen Erfolg gebracht. Sie von der FPÖ reden von einem Rohrkrepierer, gleichzeitig wollen Sie aber, dass es bei 450 000 zu einer zwingenden Abstimmung kommt. (Abg. Strache: Wir haben gesagt, wir wollen eine Volksabstimmung dazu! Wir haben gesagt: Machen wir eine Volksabstimmung dazu, das wäre doch schön! Dann sehen wir, wie die Bevölkerung denkt!) Ich glaube, dass auf jeden Fall der Bedarf besteht, die direkte Demokratie zu verbessern. Und wir haben diesbezüglich auch Verantwortung übernommen. (Beifall bei den Grünen.)

Aber ich glaube, das ist nicht der einzige Weg, die Demokratie zu verbessern. Wir dürfen angesichts des Hypes, der jetzt zur Verbesserung der direkten Demokratie entstanden ist, nicht die anderen Möglichkeiten, die in der Verbesserung des reprä­sentativen Systems zu suchen sind, vernachlässigen. Auch da gibt es nämlich durchaus Möglichkeiten. Das beginnt schon im Parlament. Ich kann zum Beispiel überhaupt nicht verstehen, warum die Ausschusssitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Das Argument, dass da noch irgendetwas verhandelt werden soll, was die Öffentlichkeit nicht transparent mitbekommen soll, zählt für mich nicht. Erstens findet das nämlich praktisch nie statt, und zweitens ist die Frage, warum die Bevölkerung nicht miterleben soll, dass auch in manchen Punkten nachgegeben werden kann. – Das muss mir einmal jemand erklären! (Beifall bei den Grünen.)

Warum wird außerdem beispielsweise der Wille der Wählerinnen und der Wähler nicht differenzierter abgefragt? Wenn schon einmal in fünf Jahren ein Kreuzerl gemacht


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