Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll155. Sitzung, 15. Mai 2012 / Seite 67

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werden, das Gegenteil bewirken, und zwar mit den Worten: may kill rather than cure the patient.

Standard & Poor’s ist vernünftig. Operation gelungen, Patient tot – das ist gegen­wärtige Maxime des Fiskalpaktes, den die SPÖ bisher mitträgt. Ich bitte alle Abgeord­neten, insbesondere jene von der Sozialdemokratischen Fraktion, sich das noch einmal genau anzuschauen. Ich bitte Sie, sich insbesondere den Artikel 5 dieses Vertrages anzuschauen. Der Artikel 5 hebelt die Budgethoheit des Nationalrates kom­plett aus. Sie wissen, dass ich ein überzeugter Europäer bin. Ich bin gewillt, viel zu akzeptieren, wenn durch entsprechende Mechanismen sogenannte nationale Hoheiten nach Brüssel, wenn Sie so wollen, übertragen werden, aber dort den demokratischen Spielregeln zwischen dem Rat, vor allem dem Europäischen Parlament und der Kom­mission unterliegen. Das ist hier nicht der Fall! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Artikel 5 hebelt die Budgethoheit des Nationalrates schlicht und ergreifend aus. Bei einem ganz normalen Defizitverfahren – das hat mit dem eigentlichen Fiskalpakt gar nichts zu tun, das wird hier hineingeschwindelt –, bei einem Defizitvertrag à la Maastricht sind sogenannte Programme zu entwickeln – gut und schön, das kennen wir alles –, und diese Programme, die wir hier im Nationalrat, in der Regierung entwickeln, sind dann dem Rat und der Kommission zur Genehmigung vorzulegen – zur Genehmigung!

Ja, wo sind wir denn, meine Damen und Herren?! – Die Kommission hat nicht nur ein Vetorecht, sondern auch ein Genehmigungsrecht bei nationalen Programmen zur Bewältigung einer Budgetkrise? Das lassen Sie sich bieten? – Ich nicht! Ich bin überzeugt, dass das verfassungsändernden Charakter hat, was Sie hier vorhaben. Und das mit einfacher Mehrheit zu beschließen, ist einfach aberwitzig in meinen Augen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich fordere noch einmal die Kollegen, insbesondere jene von der Sozialdemokratie, auf: Überlegen Sie sich, was hier vor sich geht! Das ist ökonomisch kontraproduktiv. Das erhöht die Arbeitslosigkeit. Es führt genau zum Gegenteil von dem, was uns insbesondere deutsche Politiker und Politikerinnen einzureden versuchen. Und demo­kratiepolitisch ist das eine Selbstkastration des Parlaments. Dem können Sie nicht zustimmen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es erübrigt sich fast, zu sagen, dass wir natürlich alles versuchen werden, um diesen Fiskalpakt zu Fall zu bringen. Ich bitte Sie aber – das ist eine ernstgemeinte Bitte –, die Damen und Herren von der ÖVP-Fraktion und von der SPÖ-Fraktion, die Entscheidung über diesen sogenannten Fiskalpakt noch zu vertagen. Sie wissen, was alles auf europäischer Ebene in den nächsten Wochen und Monaten passieren kann. Wir wissen nicht, wie sich Hollande und Merkel einigen werden oder ob sie sich auch nicht einigen werden. Wir wissen nicht, wie die Volksabstimmung in Irland ausgeht, und, und, und. Es fällt Ihnen kein Stein aus der Krone, diese Entscheidung zumindest einmal bis zum Herbst aufzuschieben und zu vertagen. (Beifall bei den Grünen.)

Realismus und nicht träumerische Phantasien – das brauchen wir! Keine träume­rischen Phantasien ohne jede ökonomische Grundlage! Letzteres spielt sich insbe­sondere am Beispiel Griechenland ab. Es tut mir leid, das sagen zu müssen. Man behält nämlich manchmal nicht gern recht. Die Grünen predigen seit zweieinhalb Jahren, Griechenland ist insolvent und nicht illiquid. (Ruf bei der FPÖ: Wir auch!) Leider haben wir recht behalten.

Aber die Träumerei geht weiter. Griechenland ist auch heute insolvent – auch heute! Aber das wird auf europäischer Ebene, das wird von den europäischen Politikern nicht zugegeben. Alle beklagen den Ausgang der griechischen Wahlen. Ja, mein Gott, da


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