Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll155. Sitzung, 15. Mai 2012 / Seite 68

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sind schon Illusionisten am Werk. Wenn ich richtig verstanden habe, will eine Partei Gratisessen für Studenten einführen. Es ist jetzt wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt dafür.

Aber die Illusionen im Rest von Europa sind doch genauso groß. Bei einem BIP-Rückgang von fast 20 Prozent in den letzten Jahren, im vierten Jahr der Rezession, heuer wieder minus 7 Prozent, Arbeitslosigkeit irgendwo zwischen 20 und 25 Prozent – ja was will man denn noch?! Das sind doch Werte, die wir aus der großen Depression vom Anfang der Dreißigerjahre kennen.

Und die Griechen sollen das schlucken so wie nichts?! In Spanien ist die Situation dieselbe. Von der Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent plus ganz zu schweigen. Die Situation für sich genommen ist dort aussichtslos. Das müssen die Gläubiger zur Kenntnis nehmen. Bei all den Maßnahmen, die getroffen werden, und bei all den optimistischen Annahmen, die getroffen werden, pendelt sich die Schuldenquote vielleicht bei 160 Prozent des BIP ein. Das ist das Doppelte von dem in Österreich.

Und da glaubt noch jemand hier, dass die Griechen das von allein, aus eigener Kraft werden abtragen können?! – Die Finanzmärkte glauben das nicht, und ich glaube das auch nicht. Wenn ich griechischer Politiker wäre, ich weiß nicht, was ich täte. Ich glaube, ich würde versuchen, einen Primärüberschuss im Budget zu erreichen. Dann kann ich auf eigenen Füßen stehen und anschließend einen Default erklären – aber jetzt auch für die staatlichen Gläubiger und nicht nur, so wie bisher, für die privaten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich Herr Vizekanzler Dr. Spindelegger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.37.30

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Professor Van der Bellen, allein der von den Grünen gewählte Titel für diese Aktuelle Europastunde, der lautet: „Nachhaltig inves­tieren statt aus Europa einen Sparverein machen“, könnte einen Glauben machen, es geht dabei nur um das eine oder um das andere. Das ist aus meiner Sicht absolut nicht der Fall. Es geht darum, nachhaltig zu investieren, ja, aber natürlich auch darum, zu sparen – in diesem Kontinent, in der Europäischen Union. Beides muss passieren, und nicht nur eines! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf in Erinnerung rufen, was Sie ein wenig ausgeblendet haben: Es war auch die extreme Verschuldung von einigen Ländern, die uns in diese Krise gestürzt hat, auch in der Eurozone. (Abg. Dr. Van der Bellen: Nicht Irland und Spanien!) – Ja, selbst­verständlich! Diese extreme Verschuldung hat dazu geführt, dass es kein Kapital mehr auf dem Markt gegeben hat und sich diese Staaten nicht mehr refinanzieren können. Und das in die Debatte mit einfließen zu lassen, ist aus meiner Sicht absolut notwendig. Das darf man nicht so einfach ausblenden! (Beifall bei der ÖVP.)

Aus dem heraus gab es Instrumente, die zu einer stärkeren Überwachung führen mussten. Daher gab es die EFSF, um Rettungsmaßnahmen im richtigen Augenblick zu setzen. Ja, das kann man heute kritisieren, aber die Alternative wäre gewesen, diese Länder gleich in Konkurs gehen zu lassen und damit in der Europäischen Union und in der Eurozone eine Katastrophe heraufzubeschwören. Und da haben wir miteinander Nein gesagt. Solidarität war angesagt, und ich stehe auch dazu: Ja, sie war zu diesem Zeitpunkt notwendig! (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

 


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