Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll164. Sitzung / Seite 76

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schen Geschichte. Sie hat nicht nur Völker befriedet, die sich in Hass und Kriegswut gegenüberstanden, sie hat dem Kontinent“ – und das ist so wichtig! – „Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ökonomischen Wohlstand beschert. Europa ist nicht nur ein Friedensprojekt. Es ist ein Projekt der Freiheit.“

Professor Kermani meint weiters – und da hat er hundertprozentig recht! –, die Demo­kratie für alle Deutschen hätte es nicht gegeben, wenn nicht Deutschland in Europa da­mals so verankert gewesen wäre. – Das sieht auch der Einigungskanzler Helmut Kohl so.

Navid Kermani führt auch richtig an, dass jene Staaten – und das vergessen wir im­mer! –, die jetzt große Probleme haben, bis in die siebziger Jahre Diktaturen auf dem europäischen Kontinent waren, ob Spanien, Portugal oder Griechenland.

Und der letzte Punkt: Hätte es nicht diese europäische Perspektive gegeben, wo wären dann heute unsere östlichen Nachbarn?

Auch jetzt ist für die ehemaligen Staaten auf dem Balkan – trotz der Probleme, trotz der Krise! – Europa die Perspektive ! Wir werden heute hier den Beitritt Kroatiens zur EU besprechen. Montenegro ist auf den Weg gebracht. Auch Serbien blickt Richtung Europa.

Warum sage ich das? – Weil es letztendlich, wenn wir heute den Fiskalpakt und den ESM beschließen, darum geht, dieses Lebensmodell „Europa“ nicht zum Scheitern zu bringen, sondern in der Krise für Stabilität zu sorgen.

Denn: Bei all dem, was heute hier kritisiert worden ist, nennen Sie mir auf diesem Pla­neten Erde einen anderen Staat, in dem Sie Ihr Lebensmodell sehen? –Ich halte das „Europäische Modell“ für das beste weltweit – besser als das Modell in den USA oder in Japan oder wo auch immer in den reichsten Ländern dieser Welt! Wo gibt es für den Einzelnen so viel Freiheit? Wo gibt es ein solch abgesichertes Sozial-, Gesundheits- und Pensionssystem, wie auf dem europäischen Kontinent? Und Garant dafür ist die Europäische Union – und nicht kleinliches nationalstaatliches Denken! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nur: Natürlich ist dieses Modell gefährdet, wenn Europa an Wettbewerbsfähigkeit ver­liert. Und Europa hat an Wettbewerbsfähigkeit verloren – aber nicht deshalb, weil es falsch aufgesetzt war, sondern deswegen, weil in der Vergangenheit europäische Staa­ten, vor allem jene, die eine gewisse Größe aufweisen, sich nicht an die Regeln halten mussten. Und es ist kein Zufall, dass die beiden ersten, die die Regeln verletzt haben, Frankreich und Deutschland waren.

Wer sich den Fiskalpakt durchgelesen hat und sich diese neue Form der Mehrheitsfin­dung, nämlich die umgekehrte Mehrheitsfindung, genau angesehen hat, der wird he­rausgelesen haben, dass jetzt kleine Staaten wie Österreich das verhindern können, was Deutschland und Frankreich damals noch machen konnten, nämlich die Regeln zu verletzen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Das geht jetzt nicht mehr mit die­sem Fiskalpakt! Daher ist er für mich persönlich für die Zukunft der EU wichtiger als der ESM. Und da sollten wir in der Diskussion, meine sehr geehrten Damen und Herren, schon bei der Wahrheit bleiben.

Abgeordneter Strache hat heute hier gesagt, die Unabhängigkeit Österreichs sei in Gefahr. – Ich habe es gerade gesagt: Das Gegenteil ist der Fall! Denn: Die kleinen Staaten wie Österreich werden durch diesen Fiskalpakt gestärkt.

Das Zweite, was auch von Strache gekommen ist, war die Behauptung, der Gouver­neursrat könne alles beschließen. – Auch das ist nicht richtig! Wahr ist vielmehr, dass selbst bei dem Dringlichkeitsverfahren, das angesprochen worden ist, nach Art. 4 Abs. 4, wo man 85 Prozent der abgegebenen Stimmen braucht, auch Art. 8 Abs. 5 gilt.


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