Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll164. Sitzung / Seite 75

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die Europäische Zentralbank, die völlig unabhängig ist, was Sie selber hier immer lo­bend erwähnen. (Abg. Scheibner: Aber wer hat es beschlossen?)

Was hat das mit Demokratie zu tun? Sie spielen sich hier als Wächter auf, weil beim ESM im Gouverneursrat die Finanzminister darüber entscheiden. Die sind wenigstens gegenüber dem Parlament verantwortlich. Diese Politiker wollten eine Notenbankpoli­tik, die nichts mit Demokratie zu tun hat, wo die Demokratie abgeschafft wird: völlig un­abhängige Notenbank! Das sind die CSUler, die jetzt anfangen, auch noch gegen jene Möglichkeiten, die der Gipfel eröffnet, zu opponieren.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Denken Sie einmal darüber nach, mit wem Sie sich in dieser Frage ins Bett legen! Wenn Sie eine demokratische Legitimierung haben wollen, dann müssen Sie gegen jede Unabhängigkeit der Notenbanken sein und müssen dafür sein, dass die dem Parlament gegenüber verantwortlich sind.

Vielleicht ist das, was wir mit den Grünen zum ESM und zur parlamentarischen Ab­wicklung hier verhandelt haben, nämlich, dass vorher für die Abstimmung dort ein Man­dat da sein muss, ein gutes Modell auch für die Weiterentwicklung einer künftigen Fis­kalpolitik in Europa – so lange, bis wir Europa so weit haben, dass das Europäische Parlament, von allen Menschen gewählt, dort die Kontrolle hat. Dann endet aber unse­re Funktion hier – dessen muss man sich auch klar sein! –, denn sonst würden wir uns nämlich so verhalten wie ein Landtag, der sich anmaßt, für die Republik Österreich al­leine zu entscheiden, und das funktioniert gar nicht.

Auf diesem Weg können Sie sagen, wo Sie hinwollen. Wenn Sie Europa nicht wollen, dann sagen Sie heute nein. Der Kollege Bucher hat ja schon gestanden, was er will: einen „Nord-Euro“, „Neuro“ oder etwas dergleichen. Na da stimmen die Österreicher vielleicht mit? Dann diktiert Berlin alleine, was hier passiert, so wie es war, als wir im Schlepptau der D-Mark waren! Aber das passt vielleicht eh zu Ihrer Gesinnung.

Wir sagen nein dazu und ein Ja zu einem starken Europa! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.47


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. – Bitte.

 


11.48.03

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! „Gemeinsam Europas Zukunft gestal­ten“ – das war heute das Thema der Erklärung des Bundeskanzlers. Und da ist die Frage zu stellen: Welche Zukunft wollen wir in diesem Europa?

Wenn ich den Freiheitlichen und dem BZÖ zugehört habe, dann habe ich vernommen: Die wollen zurück! Die wollen mehr Nationalstaatlichkeit. (Die Abgeordneten Scheib­ner und Petzner: Du hast es nicht verstanden!) In dieser Krisenzeit sind wir hier am Scheideweg. Wir glauben, dass wir ein Mehr an Europa brauchen, weil wir gemeinsam stärker sind als in einer Situation, wo jeder glaubt, allein das Heil zu finden, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

An diesem Scheideweg stehen wir! Und da müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass dieses Europa eigentlich mehr ist als Rettungsschirme, Fiskalpakt und ESM. Was ist der Kern dieses Europa? – Lassen Sie mich da, wenn es darum geht, welche Zukunft wir in Europa wollen, einen deutsch-iranischen Schriftsteller, Universitätsprofessor Na­vid Kermani, zitieren, der meint:

„Die Europäische Union ist mitsamt ihren Vorläufern die größte politische Errungen­schaft auf diesem Kontinent im vergangenen Jahrhundert, wenn nicht der europäi-


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