Dort hinten ist man nicht so im Blickfeld, die Akustik ist dort mindestens so gut wie hier vorne, und man hat eine bessere Übersicht. – Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich fand das da hinten ganz nett.
Ich kann mich auch erinnern an meine erste Rede damals; es muss zum Budget 1995 gewesen sein. Ich war sehr nervös, und es war auch keine besonders gute Rede. Ich weiß noch, wie der Abgeordnete Ewald Nowotny – er war damals Finanzsprecher der SPÖ – hinausgegangen ist und seine Rede damit begonnen hat: Also wenn ich den Kollegen Van der Bellen richtig verstanden habe ... Und ich habe mir gedacht: Oje, wenn das schon so losgeht, muss ich mich sehr unklar ausgedrückt haben. – Vielleicht wusste ich selbst nicht wirklich, was meine Botschaft in dieser Rede war.
Die kommenden Jahre waren weitgehend damit zu verbringen, schlicht das Handwerk zu erlernen. So ein Universitätsprofessor ist ja nicht a priori geeignet, dieses politische Handwerk zu beherrschen – in verschiedener Hinsicht. Ich finde, das ist wirklich ein Handwerk, wo man buchstäblich zwei, drei, vier Jahre braucht, wenn man nicht ein ausgesprochenes Naturtalent ist. Ich war sicher kein ausgesprochenes Naturtalent. An der Uni lernt man alles Mögliche, etwa Analysefähigkeit, hoffe ich. Wir sind gewohnt, alles zu überdenken, neu zu prüfen, ob nicht irgendwo ein Fehler sein könnte und so weiter.
Als Andreas Khol zum Beispiel diese Aussage getätigt hat – „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“ –, habe ich gedacht: Ich weiß nicht, worüber sich alle so echauffieren, in der Forschungspolitik ist das Grundsatz. Selbstverständlich ist die Wahrheit eine Tochter der Zeit. Was für Aristoteles gegolten hat, gilt für Galilei nicht mehr, und das Higgs-Teilchen, was immer das sein mag, ist wieder eine neue Entwicklung.
Also Analysefähigkeit lernt man, aber das, was mir in der Politik in den ersten Jahren besonders schwer fiel, war, dauernd eine Meinung zu haben. Und je weiter man aufsteigt in der politischen Hierarchie, bis zum Parteichef, immer musst du sofort eine Meinung haben, wo du doch lieber einmal nach Hause gehen würdest und nachdenken und am nächsten Tag sagen: Ich könnte mir vorstellen, dass ... – Aber das ist ganz unerwünscht. In der Sekunde sollst du irgendeine, womöglich dann auch noch eine Woche haltende Meinung haben, unter einem Zeitdruck, den man nicht gewöhnt ist.
Das sehe ich jetzt, wenn ich als Politiker komme und sage, lieber Herr Kollege, könnten Sie mir ein Gutachten machen über XY! – Und er sagt, ja, gerne, sagen wir, im Oktober liefere ich!, und ich antworte: Wir brauchen es nächste Woche! – Das sind also völlig andere Welten.
Was mir auch neu war, das war der Umgang mit Medien. Erste „ZiB 2“. Ich habe vergessen, worum es ging, aber was ich nicht vergessen habe, ist, ich war dort und durfte mir nachher von meinem Coach anhören: Warum haben Sie die Frage des Moderators nicht beantwortet? – Ich sage: Was? Ich? Ich eine Frage nicht beantwortet? – Ja, schauen wir es uns noch einmal an. – Tatsächlich. Beim Analysieren dieser Situation ist mir dann aufgefallen oder konnte ich mir erklären, was passiert ist. Ich war so gedrillt – und ich würde fast vermuten, 170 andere Abgeordnete hier im Haus sind genauso gedrillt –: Du hast die Chance, einmal ins Fernsehen zu kommen. Pass auf! „ZiB 2“, effektive Redezeit vielleicht vier, fünf Minuten, wir haben folgende fünf Botschaften.
Und du fährst auf den Küniglberg, sitzt im Taxi und denkst dir: Erste, zweite, dritte Botschaft, was zum Teufel war die vierte und fünfte Botschaft? (Allgemeine Heiterkeit und Beifall.)
Dann sitzt du dort, du kannst dir nicht einen Zettel hinlegen so wie hier, du musst das ja irgendwie auswendig beherrschen. Und ich habe die Frage nicht mitbekommen, ich
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