Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung / Seite 91

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nen, die jeder Bürger/jede Bürgerin beantworten hätte können, nämlich das, was wir seit Jahren debattieren: Sind Sie für die Wehrpflicht oder sind Sie gegen die Wehr­pflicht? Ja oder nein?

Stattdessen hat man das unnötig verkompliziert und stellt eine Frage, bei der im Hinter­grund zwei Modelle abgestimmt werden, die nicht auf dem Wahlzettel stehen und die sich ständig ändern.

Das Modell der ÖVP wurde von Kollegen Klikovits beschrieben, und ich habe genau zugehört. Dieses lautet heute: Wir wollen ein weiterentwickeltes Bundesheer auf Basis eines reformierten Bundesheers! – Das ist ein wortwörtliches Zitat! (Heiterkeit bei den Grünen.) – Darüber müssen die Österreicher im Jänner abstimmen!

Auf der anderen Seite gibt es einen Verteidigungsminister, der tagtäglich die Zahlen ändert. Keiner weiß, wenn er abstimmt, was am Ende herauskommen wird.

Zweiter Punkt, Herr Bundesminister Darabos: Sie haben das Gefecht um die Fragestel­lung leider verloren! Wie können Sie zulassen, dass der positiv besetzte Begriff „Zivil­dienst“ auf Seiten der Wehrpflicht-Befürworter steht?! Sie wissen genau, dass es eine Abstimmung über den Zivildienst gibt und nicht eine über die Wehrpflicht. Und auf der anderen Seite lassen Sie sich das Reizwort „Berufsheer“ hineindiktieren. Das ist eine einzigartige „Leistung“! Sie wissen genau, dass jetzt über etwas ganz anderes abge­stimmt wird als über die Wehrpflicht.

Meine Damen und Herren, allein die Auseinandersetzung um die Fragestellung zeigt den Bankrott der Befürworter der Wehrpflicht. Ich habe genau zugehört, wie die Argu­mente heute gelautet haben. Da ging es einmal um den Zivildienst. Ich kann mich noch erinnern, dass die gleiche Partei, die heute den Zivildienst hochhält, nämlich die ÖVP, vor 20, 30 Jahren die Zivildiener als Drückeberger verspottet hat. (Abg. Dr. Lichten­ecker: Genau!) Heute ist das Ihr zentrales Argument. Sie haben kein militärisches Ar­gument vorgebracht, sondern Sie haben nur den Zivildienst vorgebracht. Das ist Fak­tum. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie haben gar kein anderes Argument mehr als den Zivildienst!

Herr Kollege Wöginger, ein freiwilliges Sozialjahr wertet doch nicht die Ehrenamtlich­keit ab! Reden Sie mit Ehrenamtlichen, Sie sind ja in diesem Bereich tätig! Ehrenamt­liche arbeiten, weil sie einen Dienst an der Gesellschaft leisten wollen, weil sie Freude an der Arbeit haben. Das werden sie auch zukünftig tun, weil es eben junge Männer oder junge Frauen gibt, die ein freiwilliges Sozialjahr absolvieren.

Zweites Argument der Wehrpflichtbefürworter ist der Katastrophenschutz. Das ist aber auch keine primär militärische Aufgabe. Militärische Argumente haben Sie nicht ge­bracht. Das Einzige, was im Zusammenhang mit dem militärischen Bereich kommt, ist die Warnung vor einer Söldnertruppe.

Ich vermute, Ihre Broschüren werden sich in der Textierung ungefähr so lesen wie die SJ-Broschüren des Kollegen Cap in den achtziger Jahren. Am Ende haben Sie alle ge­wonnen, denn Sie haben schon jede Position vertreten, das muss man Ihnen zugute­halten! Ich warte nur darauf, dass die ÖVP davor warnt, dass ein Berufsheer zur Wie­derholung der Ereignisse von 1934 führen könnte, als bekanntlich die Christlichsozia­len das Berufsheer für einen Putsch instrumentalisiert haben. Das ist das letzte Ar­gument, das Sie noch nicht ausgeschöpft haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Strache: Das wurde auch schon gebracht!)

Aber in Wirklichkeit geht es ohnedies um etwas ganz anderes: Es ist dies eine Schein­abstimmung. SPÖ und ÖVP haben sich nämlich gemeinsam ein Ziel gesetzt: Sie wol­len die politische Agenda ändern. Auf der politischen Agenda standen nämlich in den letzten zwei Jahren selbstverschuldet die Korruptionsskandale von ÖVP und FPK auf der einen Seite und die Inseratenaffäre des Bundeskanzlers beziehungsweise der So-


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