Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 102

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Wir führen in unserem Land leider überhaupt keine Diskussion darüber. Wie schon der Vorredner, Herr Haberzettl, gesagt hat: Es gilt die Widerspruchslösung, das ist derzeit ein großer Erfolg der Transplantationsmedizin. Das ist alles gut und richtig. Die Trans­plantationsmedizin wird übrigens immer zu wenig Organe haben. Warum? Weil auch ihre Behandlungsmethoden immer besser werden. Auch das muss gesagt werden, im positiven Sinn.

Seit dem Jahr 1982 gilt bei uns also die Widerspruchslösung. Wenn man jetzt weiter hinterfragt, bedeutet diese Widerspruchslösung Folgendes: Wenn der Widerspruch un­terlassen wird – das gilt übrigens auch für Ausländer, die bei uns sterben –, gilt das im Ereignisfall als Zustimmung zur Organentnahme. Der Sterbende verliert damit jegli­chen Rechtsanspruch als Person und wird seinen Angehörigen entzogen, das muss man einfach einmal so sagen.

Dazu muss man sagen: Wenn die Gesellschaft nicht mehr fragt, was dieser sterbende Mensch braucht, sondern nur mehr fragt, was wir von diesem sterbenden Menschen brauchen, dann haben wir ein Problem, und das untergräbt das Fundament des Zu­sammenlebens massiv.

Keine Frage, um Kranken mit Organleiden zu helfen, müssen wir alles Menschenmög­liche tun, aber in Abwägung der Würde der Sterbenden und ihrer Angehörigen.

Ich möchte dieses Thema auch deshalb ansprechen, weil ich in letzter Zeit – fragen Sie mich nicht, warum – sehr viel mit Eltern zu tun gehabt habe, die etwas sehr Trau­matisches, nämlich den Verlust ihres Kindes erlebt haben. Mit diesen bedauernswerten Eltern bin ich im Diskussionsprozess gestanden.

Ich sage Ihnen jetzt nur Folgendes: Wenn ein tragisches Schicksal eintritt, wenn zum Beispiel Eltern durch einen tragischen Unfall ihr Kind verlieren, dann werden diese Menschen in der Regel nach einem gewissen Verarbeitungsprozess mit diesem dra­matischen Schicksal fertig.

Sie werden aber nicht damit fertig, wenn sie erfahren, was im Eventualfall, dass sie einer Organtransplantation zugestimmt haben, mit ihrem Kind passiert ist, weil in so ei­nem Fall das Dramatischste passiert, nämlich: Sie können sich von ihrem Kind im Mo­ment des Sterbens nicht verabschieden. Es ist vielleicht etwas zu abstrakt, um es hier im Hohen Haus anzusprechen, aber als freier Abgeordneter, der nur seinem Gewissen Rechenschaft ablegen muss, glaube ich, dass wir uns so einer Diskussion hier ruhig stellen können.

Ich erzähle Ihnen jetzt anhand von zwei Beispielen, wie das in einem normalen Kran­kenhaus, wo solche Transplantationsteams arbeiten, funktioniert. Bei einem gibt es ein sterbendes Kind, wo die Organe durch Infektionen unbrauchbar geworden sind. Da sagt man den Eltern: Bleiben Sie bei Ihrem Kind, es lebt noch, es versteht Sie irgend­wie, begleiten Sie es bis zuletzt, das hilft später.

Im selben Krankenhaus hören Sie von den behandelnden Ärzten und dem Team im Fall eines Unfalltodes oder im Fall eines Komas nach einem Unfall: Das Kind ist tot, da sind keine Empfindungen und Wahrnehmungen mehr, das Einzige, was Sie noch tun können, ist zu entscheiden, ob Sie einem anderen mit einer Organspende helfen wol­len oder nicht. Sie können ruhig nach Hause gehen. – Und das ist genau der springen­de Punkt, den wir hier diskutieren müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt selbstverständlich ein anerkanntes Recht auf sein eigenes, ungestörtes und in­dividuelles Sterben, das jeder Mensch hat. Und in vielen Fällen muss man provokant sagen, dass das heute schon umdefiniert worden ist, nämlich zur Pflicht der Organ­spende. Wir halten mit unserer Regelung der Widerspruchslösung Sterbeprozesse an, wir greifen massiv in diese ein, und zwar ungefragt. Ich spreche das jetzt an, um


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite