Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll190. Sitzung / Seite 42

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Probleme auf der europäischen Ebene. Und dieser Finanzrahmen, wie er jetzt vorge­legt worden ist, ist aus meiner Sicht ein Problem und keine Lösung. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt völlig unverdächtige Institutionen wie die OECD, den Internationalen Wäh­rungsfonds oder auch den „Economist“, die den europäischen Sparkurs in den einzel­nen Ländern ganz massiv und heftig kritisieren. Das ist auch nachvollziehbar: Wenn al­le Staaten gemeinsam überzogen sparen, dann besteht die Gefahr einer wirtschaftli­chen Rezession umso mehr. Und deswegen ist es genauso wichtig, auch darüber nachzudenken: Was ist vernünftig im europäischen Finanzrahmen? Für welche Berei­che nehmen wir jetzt zusätzliches Geld in die Hand, um europäische Probleme zu lö­sen, um wirtschaftliche und soziale Ungleichgewichte auszugleichen? Und: Was wollen wir damit tatsächlich tun?

Die einzige Stellungnahme, die ich heute dazu vernommen habe, war die Jugendbe­schäftigungsgarantie. Das ist aus meiner Sicht auch eine wirklich bedeutsame Frage. Wenn in Europa mittlerweile fast 6 Millionen junge Menschen – in Griechenland sind es mittlerweile fast 60 Prozent, in Frankreich, in Spanien ist mittlerweile jeder dritte, vierte Jugendliche arbeitslos – keinen Arbeitsplatz mehr finden und keine Perspektive mehr haben, dann reicht es nicht, dass man darüber lamentiert und am 1. Mai sagt, es ist die Schande Europas, dass die Jugendlichen, die jungen Menschen unter 25 die Kosten der Finanzmarktkrise und der Bankenpakete tragen müssen, sondern da muss tatsäch­lich auch etwas dagegen unternommen werden. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt haben wir zwar diese Beschäftigungsgarantie, aber sie ist sehr halbherzig. Euro­paweit stehen für diese 6 Millionen Jugendlichen, jetzt auf sieben Jahre gerechnet, ge­rade einmal 6 Milliarden € zur Verfügung, das heißt, für jeden Jugendlichen 150 €. Um das Problem wirklich ernsthaft anzugehen, wäre pro Jahr das Doppelte notwendig, um in diesem Bereich etwas bewegen zu können. Ich denke, es sollte uns ein Anliegen sein, jetzt nicht nur auf die österreichische Situation zu schauen, sondern europaweit so etwas wie eine Gesamtstrategie zu entwickeln.

Ich war heute in der Schule meines Sohnes und habe dort ein Schild gesehen – das erste Mal mit Interesse. Es ist eine sogenannte rote Schule; das war mir vorher eigent­lich egal, aber dort hängt das Schild einer alten Sozialdemokratin: Marie Jahoda heißt sie. Sie hat das Phänomen der Arbeitslosigkeit in den dreißiger Jahren untersucht. Das wurde damals als sehr interessant empfunden, denn die Sorge war, dass Arbeitslose in Revolte, also in Revolution verfallen. Das Ergebnis ihrer Untersuchungen war aber ein ganz anderes, nämlich dass arbeitslose Menschen in Resignation, in Verzweiflung, in Depression fallen.

Dieser Zustand ist insbesondere für Jugendliche europaweit eine Schande; deswegen gehört diese Jugendbeschäftigungsgarantie ausgebaut, auch mit österreichischem Geld. Dazu bekennen wir uns. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte zwei Sätze zum Stil der Diskussion innerhalb der Regierung sagen, weil das doch recht bemerkenswert war. Wir haben von der ÖVP schon lange nichts mehr Ernsthaftes zu europapolitischen Fragen gehört. Lopatka ist angeblich Europastaatsse­kretär, aber es ist irgendwie nicht mehr nachvollziehbar, wofür er steht. Das Einzige, was im Vorfeld dieser Finanzdiskussion zu hören war, war, der Nettozahlerrabatt ist wichtig – also eine richtige Fixierung darauf –, und das Zweite ist die Landwirtschaft.

Ich fange mit der Landwirtschaft an: Ich habe null Verständnis dafür, dass im EU-Haus­halt nach wie vor 39 Prozent der Gesamtmittel im Wesentlichen für Agrarindustrie aus­gegeben werden. 80 Prozent des Gesamtvolumens dieser Förderungen gehen an 20 Pro­zent der Betriebe europaweit. „Betriebe“ kann man zu diesen Agroindustrien gar nicht sagen, sondern das sind Großunternehmen, die mit unserer kleinstrukturierten Land-


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