Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll190. Sitzung / Seite 59

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11.48.34

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Erst­mals in der Geschichte der Europäischen Union werden wir einen Finanzrahmen ha­ben, der weniger Mittel hat als der Vorgänger. Das hat den Präsidenten des Europäi­schen Parlaments in der gestrigen „Financial Times“ dazu veranlasst, diesen Finanz­rahmen als den größten Retro-Finanzrahmen in der Geschichte der Europäischen Union zu bezeichnen – nicht ganz zu Unrecht, finde ich. Denn schauen wir uns ein­mal – im Vergleich zum geltenden Finanzrahmen – an, wo wir uns heute befinden und wo wir uns damals befanden, als der Finanzrahmen 2007 bis 2013 erstellt wurde. Heu­te sind weite Teile der Europäischen Union, insbesondere der Euro-Zone, in einer Re­zession. – Punkt eins.

Punkt zwei: EU-weit wird ein Austeritätskurs um jeden Preis gefahren, der im Übrigen mittlerweile sehr scharf kritisiert wird, und zwar nicht nur von keynesianisch orientierten Ökonomen, nein, sondern auch vom Spitzenökonomen des Internationalen Währungs­fonds, Olivier Blanchard, der sagt, dieser europäische Austeritätskurs wird Europa auf die schiefe Ebene nach unten führen und Europa in ein verlorenes Jahrzehnt.

Dritter Punkt: Dieser gekürzte europäische Finanzrahmen genügt nicht, um die Ziele der Strategie „Europa 2020“ zu erreichen. Darin sind hehre Ziele enthalten: mehr nach­haltiges Wachstum, mehr für den Klimaschutz, mehr für Energieeffizienz, Verringerung der in Armut Lebenden um 20 Millionen Menschen – ja, um 20 Millionen Menschen!; von Tag zu Tag steigt die Zahl der in Armut Lebenden –, und vieles andere mehr. Und daher ist das Europäische Parlament – und nicht nur sein Präsident – schuld, denn auch Othmar Karas und viele andere sind hergegangen und haben gesagt, dieser Fi­nanzrahmen führt Europa in eine Schuldenfalle. Das deshalb, weil diesen 960 Milliar­den €, auf die man sich geeinigt hat, ja nur tatsächlich 908 Milliarden € an Zahlungen gegenüberstehen.

Das bedeutet aber eine massive Kürzung gegenüber dem, was wir im Rahmen 2007 bis 2013 hatten. Wenn der Herr Bundeskanzler sagt, die Mittel sind im Wesentlichen gleich geblieben, so ist das nicht der Fall: Weder gilt das für die Verpflichtungen, noch gilt das für die Zahlungen. Das zum einen.

Zum anderen kann es doch nicht sein, dass wir die europäischen Probleme, die vor uns liegen, die wir gegenwärtig und in der Zukunft zu lösen haben, mit den Ausgaben­strukturen von gestern lösen. 2007 waren die Ausgangsbedingungen ganz andere, als sie es heute sind. – Ja, wir haben es heute mit einer Rezession zu tun, wir haben es heute mit Massenarbeitslosigkeit zu tun – man kann das ruhig sagen –, die Klimasitua­tion hat sich verschärft, die Finanzkrise ist bei Weitem nicht gelöst, und die Antworten der Europäischen Union sind immer dieselben: Wir müssen sparen, sparen, sparen! Das schlägt sich auch in diesem Kurs nieder. Und zweitens: Wir müssen wettbewerbs­fähiger werden!

Ja, da bin ich mit dabei, dass wir wettbewerbsfähiger werden müssen, aber das bedeu­tet auch, dass wir die Strukturen ändern müssen. Wenn wir als Europa in der globalen Herausforderung einen Platz einnehmen wollen, der im Vergleich zu den USA, zu Bra­silien, zu Indien einer der führenden ist, dann müssen wir im europäischen Bereich et­was tun. Da genügt es nicht, die bestehenden Strukturen aufrechtzuerhalten, da ge­nügt es nicht, immer noch 39 Prozent der Mittel in den Agrarbereich überzuführen, son­dern da muss man endlich dort stärker investieren, wo es notwendig ist, nämlich in For­schung, in Innovation, in Bildung, in Wissenschaft, in grenzüberschreitende Netze. Hier wird zwar ein bisschen mehr Geld in die Hand genommen, aber viel zu wenig.

Und wenn diese neue Initiative für die Jugendbeschäftigung schon so oft angespro­chen wurde und wenn, vom Kollegen Amon beispielsweise, auch gesagt wurde, na ja, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist sozusagen primär eine nationale Angelegen-


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