Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll194. Sitzung / Seite 48

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Tatsache ist, dass etwa das Ziel eines einheitlichen Mindeststandards in allen Bun­desländern im praktischen, alltäglichen Vollzug der aus der Vereinbarung hervorge­henden Landesgesetze nicht erreicht wurde. Darüber hinaus wird den Betroffenen kein rechtliches Mittel geboten, die Ihnen auf Grund der 15a-Vereinbarung an sich zuste­henden Unterstützungsformen vor den Gerichten einzufordern. Auf diese Weise wirkt das Heimatsrechtgesetz von 1863 bis heute faktisch weiter: Die Menschen sind der willkürlichen Zuweisung von Almosen ausgeliefert und haben kein Mittel in der Hand, Ihre Ansprüche durchzusetzen.

Tatsache ist aber auch, dass die Bundeszuständigkeit zur Rahmengesetzgebung nach Art. 12 B-VG auch in den erläuternden Bemerkungen zur Vorlage betreffend Mindest­sicherung klargestellt wurde: "Auf Grundlage des der Österreichischen Bundesverfas­sung innewohnenden bundesstaatlichen Prinzips kommen die Vertragsparteien über­ein, eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung zur verstärkten Bekämp­fung und weitest möglichen Vermeidung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu schaffen.

Die Länder werden daher auf Grundlage des Art. 12 B-VG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 6 B-VG bzw. des Art. 15 Abs. 1 B-VG die entsprechenden Regelungen im selb­ständigen Wirkungsbereich treffen. Der Bund wird seine Zuständigkeit zur Umsetzung der ihn in der gegenständlichen Vereinbarung betreffenden Maßnahmen im Wesentli­chen auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG stützen."

Da der entsprechende Verzicht des Innenministeriums im Jahr 1968 allenfalls hinsicht­lich der heute ohnehin anachronistischen Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden im Bereich des "Armenwesens" eine Wirkung entfalten kann und die sachliche Zustän­digkeit des Bundes unverändert in Art. 12 B-VG festgeschrieben ist, ist unzweifelhaft davon auszugehen, dass der Bund diese Zuständigkeit auch ausüben kann. Die Er­fahrungen mit den Ländern, die ihre aus der Vereinbarung nach Art 15a-B-VG her­vorgehenden Verpflichtungen nur unvollständig erfüllen sowie die Tatsache, dass die angestrebten Ziele nicht erreicht werden konnten, machen deutlich, dass es heute – 150 Jahre nach Erlass des Heimatrechtsgesetzes von 1863 und 45 Jahre nach dem Verzicht des Bundes auf den Beschluss eines Grundsatzgesetzes nach Art. 12 Abs. 1 Z 1 erstes Wort B-VG - höchst an der Zeit ist, den Verfassungsauftrag zu erfüllen und ein entsprechendes Bundesrahmengesetz zu erlassen, wie es der historische Verfas­sungsgesetzgeber auch vorgesehen hatte.

Um dieser Realität Rechnung zu tragen und die sozialpolitische Entwicklung der letzten 150 Jahre ohne Rücksicht auf absurde Abwehrdiskurse zu Lasten der von Armut be­troffenen Menschen in die Verfassungsrealität zu integrieren, schlagen die Antragstel­lerInnen vor, die ursprüngliche Absicht des Verfassungsgesetzgebers – die Zuständig­keit des Bundes zur Rahmengesetzgebung hinsichtlich der Verhinderung von Armut in Österreich – neuerlich zu beschließen. Bei dieser Gelegenheit ist es angebracht, eine Formulierung zu wählen, die der Gegenwart entspricht.

Die vorgeschlagene Formulierung umfasst jedenfalls die Bedarfsorientierte Mindestsi­cherung als bedarfsorientierten Anspruch auf eine Mindestleistung zur sozialen Absi­cherung sowie die Grundsätze der im Zuerkennungsverfahren anzuwendenden Grund­sätze wie auch die Zuständigkeit für über die reine Geldleistung und ihre Rahmen­bedingungen hinausgehende Angebote zur Verhinderung von Ausgrenzung und zur Stärkung der sozialen Inklusion.

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolin­schek. – Bitte.

 


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