rapie, die Politische Kindermedizin. Ich persönlich gehe einen Schritt weiter und sage: Es soll nicht heißen, wir alle, wir Abgeordneten, hätten es nicht gewusst!
Seit Jahren wird dieses Gesetz diskutiert, seit Jahren werden die Entwürfe diskutiert, und nun liegt tatsächlich ein verwässerter Entwurf vor, der eben mit den Ländern als Kompromiss beschlossen wurde. Mir ist das zu wenig, Herr Minister! Nur die Länderkooperation in den Vordergrund zu stellen, ist noch lange nicht gleichbedeutend mit einem Gesetz, das Kinder und Jugendliche tatsächlich schützt.
Die Hauptkritikpunkte: Die Verankerung von unabhängigen Kinder- und Jugendhilfebeauftragten mit jährlicher Berichtslegung an das Parlament fehlt vollkommen. Es gibt keine Möglichkeit der Kontrolle der Ländergesetzgebung über das Parlament. Das wäre hier jetzt die Chance gewesen, Herr Minister, auch ganz klar zu sagen: Wir als Parlament, wir auch als Familienausschuss wollen schauen, wie sich die Datenlage entwickelt, wollen schauen, wie sich das Gesetz entwickelt, und wollen dafür unabhängige Jugendhilfebeauftragte installieren, die auch eine Außenevaluierung tatsächlich gewährleisten.
Prävention als handlungsanleitendes Prinzip fehlt. Das ist nicht nur meine Kritik, sondern auch die Kritik der Caritas. Prävention bedeutet nämlich Nachhaltigkeit. Es geht dabei um Gewalt, Drogen, Verwahrlosung, Missstände, Schulden in den Familien, soziale Problematik in der Familie. Prävention ist ein Kerngebiet der sozialen Arbeit, gerade in der Jugendwohlfahrt. Das wird mit keinem Wort und schon gar nicht nachhaltig erwähnt.
Das Vier-Augen-Prinzip bei Gefährdungsabklärung ist nur eine Kann-Bestimmung geworden. Der Erstentwurf sah ganz klar vor: erforderlichenfalls; jetzt ist es eine Kann-Bestimmung, anscheinend aus finanziellen Gründen. Das ist einfach strikt abzulehnen!
Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge fehlen vollkommen in diesem Gesetzestext. Sie wissen alle, dass der Kinderrechteausschuss in Genf klare Vorgaben gegeben hat, was auch vonseiten der Regierung an Verpflichtungen bei minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen eigentlich vorliegen sollte. Dieses Gesetz wäre auch die Chance gewesen, hier ganz klar die Regeln aufzuzeigen.
Die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht: Die Verschwiegenheitspflicht wird aufgehoben an Gerichten, an allen Gerichten, Zivilgericht sowie Strafgericht, und an Staatsanwaltschaften, und die vertraulichen Informationen müssen weitergegeben werden.
Ich möchte da einen Brief zitieren, der auch an alle Abgeordneten ergangen ist, vom Bundesweiten Netzwerk Offene Jugendarbeit, also jenen Sozialarbeitern/Sozialarbeiterinnen und Pädagogen/Pädagoginnen, die sich tagtäglich mit Jugendlichen beschäftigen in niederschwelligen Einrichtungen, in Jugendzentren, die auch die Freizeitbetreuung übernehmen. Sie sagen:
Die Zusicherung der Verschwiegenheit ist auch in der offenen Jugendarbeit unabdingbare Voraussetzung für den Aufbau und die Aufrechterhaltung eines Vertrauensverhältnisses mit den Jugendlichen. Durch dieses Gesetz ist diese Grundbedingung massiv beeinträchtigt. Wir, die bOJA, unterstützen die Bemühungen um eine erneute Überarbeitung der Vorlage.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle wissen Bescheid darüber, wie ein gutes, modernes Kinder- und Jugendhilfegesetz ausschauen sollte und auch ausschauen könnte. Dieses Gesetz, das jetzt vorliegt, ist einfach nur für die Länder gemacht, aber meiner Ansicht nach nicht für Kinder und Jugendliche. Deshalb stelle ich den Antrag auf Rückverweisung an den Familienausschuss, um noch einmal darüber zu diskutieren, noch einmal darüber zu debattieren, aber vor allem – und das ist doch das Wichtigste – die Experten/Expertinnen, die Praktiker/Praktikerinnen noch einmal einzuladen, noch einmal mit ihnen genau die Rahmenbedingungen abzuklären.
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