Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll194. Sitzung / Seite 115

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rapie, die Politische Kindermedizin. Ich persönlich gehe einen Schritt weiter und sage: Es soll nicht heißen, wir alle, wir Abgeordneten, hätten es nicht gewusst!

Seit Jahren wird dieses Gesetz diskutiert, seit Jahren werden die Entwürfe diskutiert, und nun liegt tatsächlich ein verwässerter Entwurf vor, der eben mit den Ländern als Kompromiss beschlossen wurde. Mir ist das zu wenig, Herr Minister! Nur die Länder­kooperation in den Vordergrund zu stellen, ist noch lange nicht gleichbedeutend mit ei­nem Gesetz, das Kinder und Jugendliche tatsächlich schützt.

Die Hauptkritikpunkte: Die Verankerung von unabhängigen Kinder- und Jugendhilfebe­auftragten mit jährlicher Berichtslegung an das Parlament fehlt vollkommen. Es gibt keine Möglichkeit der Kontrolle der Ländergesetzgebung über das Parlament. Das wä­re hier jetzt die Chance gewesen, Herr Minister, auch ganz klar zu sagen: Wir als Par­lament, wir auch als Familienausschuss wollen schauen, wie sich die Datenlage ent­wickelt, wollen schauen, wie sich das Gesetz entwickelt, und wollen dafür unabhängige Jugendhilfebeauftragte installieren, die auch eine Außenevaluierung tatsächlich ge­währleisten.

Prävention als handlungsanleitendes Prinzip fehlt. Das ist nicht nur meine Kritik, son­dern auch die Kritik der Caritas. Prävention bedeutet nämlich Nachhaltigkeit. Es geht dabei um Gewalt, Drogen, Verwahrlosung, Missstände, Schulden in den Familien, so­ziale Problematik in der Familie. Prävention ist ein Kerngebiet der sozialen Arbeit, ge­rade in der Jugendwohlfahrt. Das wird mit keinem Wort und schon gar nicht nachhaltig erwähnt.

Das Vier-Augen-Prinzip bei Gefährdungsabklärung ist nur eine Kann-Bestimmung ge­worden. Der Erstentwurf sah ganz klar vor: erforderlichenfalls; jetzt ist es eine Kann-Bestimmung, anscheinend aus finanziellen Gründen. Das ist einfach strikt abzulehnen!

Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge fehlen vollkommen in diesem Gesetzes­text. Sie wissen alle, dass der Kinderrechteausschuss in Genf klare Vorgaben gegeben hat, was auch vonseiten der Regierung an Verpflichtungen bei minderjährigen unbe­gleiteten Flüchtlingen eigentlich vorliegen sollte. Dieses Gesetz wäre auch die Chance gewesen, hier ganz klar die Regeln aufzuzeigen.

Die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht: Die Verschwiegenheitspflicht wird aufge­hoben an Gerichten, an allen Gerichten, Zivilgericht sowie Strafgericht, und an Staats­anwaltschaften, und die vertraulichen Informationen müssen weitergegeben werden.

Ich möchte da einen Brief zitieren, der auch an alle Abgeordneten ergangen ist, vom Bundesweiten Netzwerk Offene Jugendarbeit, also jenen Sozialarbeitern/Sozialarbeite­rinnen und Pädagogen/Pädagoginnen, die sich tagtäglich mit Jugendlichen beschäfti­gen in niederschwelligen Einrichtungen, in Jugendzentren, die auch die Freizeitbetreu­ung übernehmen. Sie sagen:

Die Zusicherung der Verschwiegenheit ist auch in der offenen Jugendarbeit unabding­bare Voraussetzung für den Aufbau und die Aufrechterhaltung eines Vertrauensver­hältnisses mit den Jugendlichen. Durch dieses Gesetz ist diese Grundbedingung mas­siv beeinträchtigt. Wir, die bOJA, unterstützen die Bemühungen um eine erneute Über­arbeitung der Vorlage.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle wissen Bescheid darüber, wie ein gutes, modernes Kinder- und Jugendhilfegesetz ausschauen sollte und auch aus­schauen könnte. Dieses Gesetz, das jetzt vorliegt, ist einfach nur für die Länder ge­macht, aber meiner Ansicht nach nicht für Kinder und Jugendliche. Deshalb stelle ich den Antrag auf Rückverweisung an den Familienausschuss, um noch einmal darüber zu diskutieren, noch einmal darüber zu debattieren, aber vor allem – und das ist doch das Wichtigste – die Experten/Expertinnen, die Praktiker/Praktikerinnen noch einmal einzuladen, noch einmal mit ihnen genau die Rahmenbedingungen abzuklären.

 


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