Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 97

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Aber das führt mich zum Stichwort „Bankenkrise“. – Ja, die Bankenkrise in Europa ist bei Weitem nicht bewältigt. Und das jüngste Beispiel, das wir dafür haben, ist Zypern. Das Krisenmanagement der Eurogruppe rund um diese Zypern-Lösung hat einmal mehr klargemacht, dass Europa dringend ein Bankeninsolvenzrecht, eine Bankenunion mit drei Bausteinen braucht: einer gemeinsamen Prüfung, einem Bankeninsolvenzrecht und einer gemeinsamen Einlagensicherung.

Ich erinnere mich noch daran, dass am 16. März diese Einlagensicherung, sprich: für Spareinleger unter 100 000 €, in Frage gestellt werden sollte, am 25. wurde dann zu­rückgerudert, da ist man schon einen Schritt in Richtung Bankeninsolvenzrecht gegan­gen, ohne dass man aber ein solches hatte. Man ist dazu übergegangen, zu sagen: Beteiligen wir doch die Gläubiger an der Sanierung der Banken beziehungsweise an der Abwicklung von Banken! Sprich: die Aktionäre, sprich: die Anleihen-Besitzer, und sprich: auch die Besitzer von Spareinlagen, aber bitte nicht jene unter 100 000 €. Der Schaden, den die Euro-Gruppen-Minister damit im gesamten Bankensystem angerich­tet haben, war enorm.

Wenn wir heute immer noch kein Bankeninsolvenzrecht haben, viereinhalb Jahre nach der Pleite von Lehman, so ist das in Wirklichkeit ein Skandal! Die Bankenkrise wird ja weitere Folgen haben, wir werden demnächst vermutlich hier stehen und ein weiteres Land zur Behandlung haben, nämlich Slowenien. Und wieder wird der Auslöser die un­bewältigte Bankenkrise sein. Das heißt, an dieser Frage muss dringend rasch und schnell gearbeitet werden, wenn Europa diese Eurokrise überwinden soll. (Beifall bei den Grünen.)

Zu Zypern selbst. – Bei Zypern sind zwei Fragen von Bedeutung. Geht es um die Fi­nanzfazilität, über die heute zu befinden ist, ebenso wie um das MoU, das „Memoran­dum of Understanding“, dann stellt sich die Frage, ob von Zypern ein systemisches An­steckungsrisiko ausgeht oder nicht, denn nur dann, wenn von Zypern ein solches Risi­ko ausgeht, ist jene Unabdingbarkeit gegeben und erfüllt, die der Artikel 12 des ESM-Vertrages vorsieht, nämlich zur Stabilisierung der Eurozone.

Jetzt bin ich nicht dafür, dass man Zypern hängen lässt. Nein, ich bin dafür, dass man Artikel 3 des EU-Vertrages auch einhält, wo von Solidarität die Rede ist. Aber ich bin dafür, dass Europa einmal dringend sein Wirtschaftsmodell überdenkt. Daran führt kein Weg vorbei, denn so lange Europa an diesem Wirtschaftsmodell festhalten wird, das Europa in den Ruin geführt hat, das eindeutig gescheitert ist, so lange wird eine solche Politik, wie sie jetzt von der Euro-Gruppe und auch vom ESM-Board beschlossen wor­den ist, unabdingbar und alternativlos sein.

Aber wir müssen uns im Klaren sein, es gibt Alternativen. Schön langsam dämmert es auch bei einem der Mächtigen in Brüssel, beim Chef der Europäischen Kommission, Barroso, der gestern gemeint hat, man sei mit der Austerität vielleicht doch ein biss­chen zu weit gegangen. Schön langsam dämmert es. – Man ist nicht ein bisschen zu weit gegangen, man hat Europa an den Rand des Ruins gebracht. Das ist die Wahr­heit! Und wenn hier darüber nachgedacht wird, das ein wenig zu ändern, die Konsoli­dierung ein wenig zu lockern, so sage ich: Das allein wird zu wenig sein, das wird nicht reichen! Das wird aber insbesondere auch für Zypern nicht reichen!

Die zweite zentrale Bedingung lautet, dass die Budgetpolitik gewährleisten muss, die Schulden nachhaltig tragen zu können. Und wenn ich mir anschaue, wie das in den Unterlagen begründet wird, so kommen mir Zweifel, ob dieser Kurs zusammen mit dem „Memorandum of Understanding“ einer ist, der Zypern aus dieser Fiskalkrise heraus­führen wird.

Zypern hat heuer einen Wachstumseinbruch in der Größenordnung von 8,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Zypern wird im kommenden Jahr einen Einbruch des


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite