Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 215

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Zum Schulschwänzen: In jeder Sonntagsrede hören wir, dass wir Schulautonomie brauchen, dass die Verantwortung dorthin gehört, wo die Menschen sich auskennen, nämlich vor Ort. Aber was wir jetzt machen, ist, für ein Problem wie das Schulschwän­zen – und von dem höre ich jetzt überraschenderweise, dass es kein so großes Pro­blem sei, während es im Ausschuss noch geheißen hat, es sei ein Riesenproblem – per Gesetz einen fünfstufigen Instanzenzug einzuführen.

Das stelle man sich einmal in der Praxis vor! Ich weiß nicht, ob Ihre Beamten je einen Schritt – ja, in ihrer Schulzeit vielleicht, aber seither wahrscheinlich nicht mehr – in die Schule gesetzt haben, aber ein fünfstufiges Verfahren beim Schulschwänzen mit Fris­ten – vier Wochen da, drei Wochen da, zwei Wochen da, wenn da ein Schüler im April schwänzt, dann geht das tief in die Ferien hinein, bis der Instanzenzug durchlaufen ist – ist doch völlig unpraktikabel! Das werden Sie in der Realität nie in irgendeiner Form durchbringen. Wir machen uns, mit Verlaub, lächerlich, wenn wir derartige Ge­setze beschließen und dann noch glauben, dass wir hier das Ei des Kolumbus gefun­den hätten.

Wissen Sie, wie viele Verfahren wegen Schulschwänzens de facto letztes Jahr mit einer Strafe abgeschlossen worden sind? – 30 Verfahren in ganz Österreich! Und da glauben Sie, mit einer Erhöhung der Strafe von 220 € auf 440 €, die nach diesen fünf Stufen, nach einer Endphase droht, ein Problem zu lösen. Also, mit Verlaub, da kön­nen wir bei bestem Willen nicht mitgehen. Aber wir haben ja morgen noch die Gelegen­heit, über einen anderen Aspekt in diesem Zusammenhang zu sprechen. (Abg. Elmar Mayer: Vorschlag!)

Kollege Mayer, gerne mache ich einen Vorschlag, nämlich dass nicht wir am Minoriten­platz und dass nicht die Landesschulbehörden dafür Lösungen herbeiführen, sondern dass die Lösungen dort gemacht werden, wo sie hingehören, wie wir es vorhin gesagt haben: Lassen Sie die Schulen das entscheiden! Lassen Sie die Direktorinnen und Di­rektoren diese Geschichte gemeinsam mit den Lehrkräften lösen! Aber bitte keinen fünfstufigen Notfallplan für einen Schulschwänzer, der sich vielleicht im Kaffeehaus amüsiert hat. So werden wir dieses Problem sicher nicht lösen! (Beifall bei den Grünen.)

Nun zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, meine Damen und Herren: Ja, dieses Gesetz hat durchaus ein Problem erkannt, und Sie gehen dieses Problem auch an. Ich würde meinen, es ein wäre Vorteil, wenn wir hier eine unabhängige Gerichtsbarkeit einführ­ten. Was uns stört und warum wir hier nicht zustimmen können, hat einen einfachen Grund: Auch dieses Gesetz ist gerade für die Schwächsten in unserem Schulsystem nicht zukunftsweisend.

Stellen Sie sich vor: eine Familie, kein großer Bildungshintergrund, keine großen Kenntnisse des österreichischen Rechtssystems, kaum Möglichkeiten, sich juristische Beratung zu holen. Und diese Familie wird jetzt in einem Problemfall, wenn sie gegen einen Bescheid Einspruch einlegen will, auf ein Verwaltungsgericht – für Vorarlberg ist das nächste dann in Innsbruck, was auch ein Problem ist – verwiesen und muss dazu auch noch Gutachten bereitstellen. Das ist genau das Problem, weshalb wir hier nicht zustimmen!

Ja, ich lasse mir noch einreden, dass dieser Instanzenzug vielleicht notwendig ist – wir können nicht überall, in jedem Bundesland, entsprechende Gerichte einfügen –, aber es muss gewährleistet sein, dass auch sozial schwächeren Familien juristisch geholfen wird. Bislang war das möglich, weil durch die Landesschulbehörde automatisch ein Gutachten erstellt wurde. Jetzt müssen diese Familien selber um juristischen Beistand ansuchen – jedenfalls ist es möglich; das Gesetz ist hier nicht ganz präzise, es wird nicht ganz genau ausgeführt. Aber es ist möglich, dass sie das tun müssen, und da wollen wir Sicherheit.

 


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