Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll200. Sitzung / Seite 136

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15.12.24

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Mit der schriftlichen parlamentarischen Anfrage vom 6. Februar haben mir die Abgeordneten Podgorschek, Kolleginnen und Kollegen Fragen zu in einem anonymen Schreiben erhobenen Vorwürfen gegen die Oesterreichische Nationalbank gestellt. Selbstverständlich nehme ich meine Pflicht, Ihnen als Finanzministerin zu allen Gegenständen der Vollziehung durch das Bundes­ministerium für Finanzen Rede und Antwort zu stehen, sehr ernst. Ich war ja selber jahrelang Mitglied des Hohen Hauses, und Transparenz ist für mich nicht bloß ein Schlagwort.

Ebenso habe ich aber zu beachten, wo Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Hohe Haus selbst, mir als Verfassungsgesetzgeber Schranken für eine Beant­wortung gesetzt haben. So ist gemäß Artikel 52 B-VG der Nationalrat befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlan­gen. Diese Kontrollrechte gegenüber der Bundesregierung und ihren Mitgliedern bestehen auch in Bezug auf Unternehmungen, an denen der Bund mit mindestens 50 Prozent Stamm-, Grund- oder Eigenkapital beteiligt ist und die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen.

§ 90 2. Satz der Geschäftsordnung präzisiert die Gegenstände der Vollziehung, also die Gegenstände des Fragerechts, unter Verwendung des Wortlautes des § 2 Abs. 3 des Bundesministeriengesetzes. Demgemäß sind darunter Regierungsakte, Angele­genheiten der behördlichen Verwaltung oder der Verwaltung des Bundes als Träger von Privatrechten zu verstehen.

Aus den obzitierten Rechtsgrundlagen ergibt sich, dass Angelegenheiten einer vom Bund verschiedenen juristischen Person als solche nicht den Gegenstand parlamen­tarischer Anfragen bilden können, sondern lediglich insofern, als sich allenfalls eine Tätigkeit von Organen des Bundes auf eine solche juristische Person bezieht. So liegt keine für die parlamentarische Kontrolle erforderliche Verwaltungstätigkeit im Sinne des B-VG vor, wenn ein selbständiger Rechtsträger in privatrechtlicher Form handelt. Die Möglichkeit zur Interpellation beginnt dort, wo Leitungsbefugnisse beziehungs­weise Ingerenzmöglichkeiten der Regierungsmitglieder (Abg. Brosz:  Geschäftsord­nungs­vortrag der Ministerin !) hinsichtlich der Tätigkeit des selbständigen Rechts­trägers einsetzen.

Die OeNB ist ein vom Bund verschiedener Rechtsträger, nämlich eine Aktien­gesell­schaft, auf den die Bestimmungen des Aktiengesetzes anzuwenden sind, soweit durch den Allgemeinen Europavertrag, „das ESZB/EZB-Statut oder durch dieses Bundes­gesetz nichts anderes bestimmt wird“. – Das steht in § 1 Notenbankgesetz.

Nach dem Aktienrecht hat daher das Direktorium die OeNB unter eigener Verant­wortung so zu leiten, wie das Wohl des Unternehmens unter Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre und der Arbeitnehmer sowie des öffentlichen Interesses es erfordert, soweit keine ausdrücklichen gesetzlichen Weisungsbefugnisse staatlicher Organe eingeräumt sind.

Aufgrund dieser eingeschränkten Ingerenzmöglichkeiten des Bundesministers oder Bundesministeriums für Finanzen auf die OeNB – nämlich zum Schutz der Unabhängigkeit der OeNB – kann die Tätigkeit der OeNB nur insoweit Gegenstand einer Interpellation sein, als die OeNB hoheitlich tätig wird und dabei auch an Weisungen eines Ministers gebunden ist – so etwas gibt es zum Beispiel bei § 15 Devisen­gesetz –, nicht dagegen, wenn es um die eigenverantwortliche Geschäfts­führung der OeNB geht.

 


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