Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll203. Sitzung / Seite 55

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für eine einleitende Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


10.49.49

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Vorredner hat gerade angesprochen, dass Österreich von Europa profitiert hat. Es sind aber natürlich nicht nur diese positiven Auswirkungen darzustellen, sondern vor allem die Frage, wie wir uns in dem Gemeinsamen Europa weiterentwickeln können. Und vor allem müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, wie es um die Wettbewerbsfähigkeit von Europa bestellt ist. Kann Österreich hier etwas tun, damit die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird, und vor allem, kann Österreich etwas tun, um noch einen eigenständigen Weg in diesem Europa zu gehen und eigene Vorteile wahrzunehmen?

Wenn Sie die letzten Jahre angeschaut haben, dann haben Sie alle beobachten kön­nen, dass sich seit der Wirtschaftskrise des Jahres 2009 eigentlich nicht die Frage stellt, ob wir jetzt im vierten Jahr der wirtschaftlichen Erholung sind, sondern dass wir sagen müssen, wir sind im fünften Jahr der Wirtschaftskrise. Die Frequenz zwischen Erholung und neuer Finanzkrise wird immer kürzer. Das heißt, die Probleme wurden nicht wirklich gelöst.

Es gibt aber vor allem eine Auswirkung, und die stellt uns vor ernste Schwierigkeiten, und zwar ist das die Auswirkung, dass Europa eine Wachstumsschwäche hat – eine Wachstumsschwäche, die sich so äußert, dass wir im Jahr 2013 in der Euro-Zone nach Einschätzungen der Europäischen Kommission einen Rückgang der Wirtschaft um 0,4 Prozentpunkte haben. Österreich ist besser aufgestellt: Österreich wird wahr­scheinlich 0,7 Prozentpunkte Wachstum haben. Das ist relativ besser, aber noch nicht gut genug.

Damit verbunden stellt sich natürlich eine zweite Frage: Was bedeutet es, wenn Euro­pa nicht wächst, was passiert sonst in der Welt? In der übrigen Welt haben wir – leider, muss man dazusagen, oder, positiv gesehen, weil auf der anderen Seite als Chance für uns – mehr Wachstum. Das Weltwirtschaftswachstum wird im Jahr 2013 3,3 Pro­zent betragen; allein in China werden wir 7,5 Prozent Wachstum haben.

Was heißt das in der Konsequenz? – In der Konsequenz heißt das, dass sich die Kräf­te verschoben haben, dass Europa in Gefahr ist, wirtschaftlich den Anschluss zu ver­lieren und dass sich die Gewichtung anders aufteilt – und das auch wegen einer zwei­ten Konsequenz, die wir aus der Schuldenkrise erlebt haben, nämlich, dass Europa ei­ne zunehmende Verschuldung hat.

Die Verschuldung in Europa wird im Jahr 2020 bei 100 Prozent des Bruttonationalpro­dukts sein; Maastricht-Kriterium wären 60 Prozent – Sie kennen es. Auf der anderen Seite haben die Länder, die in den sogenannten Emerging Markets liegen, wie Brasi­lien, Indien, China, eine Verschuldung von 35 Prozent.

Welche Auswirkung hat das aber? – Die, dass diese Länder für Infrastruktur, für For­schung, auch für Bildung mehr Geld in die Hand nehmen können, weil sie weniger Schulden haben, während wir auf der anderen Seite Schulden zurückzahlen müssen und zum Zweiten auch kein Geld für neue Konjunkturprogramme haben. Und damit ist auch ein weiteres Problem verbunden, und das ist die steigende Arbeitslosigkeit, die soziale Frage, die in Europa einfach mitspielt.

Sie können sich erinnern, wie ich neulich Österreich dargestellt habe – vor allem die Jugendarbeitslosigkeit –: nicht mit einer Zahl, sondern mit einem Vergleich. Und zwar: Jeder zweite Jugendliche bei der Messe Wien hat bei einer Veranstaltung auf Einla-


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