Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll203. Sitzung / Seite 63

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wir ein wenig hinter die Strategie, die die Europäische Union verfolgt, um diese Fragen zu beantworten.

Wenn wir uns das EU-Konzept anschauen, dann sehen wir, es ist seit Jahr und Tag immer dasselbe. Konsolidierung der Finanzen ist das eine, verschärft durch eine Aus­teritätspolitik insbesondere in den Staaten des Südens. Und das Zweite heißt Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Strukturreformen. Diese Antworten haben wir bereits vor der Krise gehört, diese Antworten hören wir aber auch seit der Krise.

Wir verfehlen mit dieser Strategie aber regelmäßig die Zielsetzungen, weil wir eine Therapie verfolgen, die nicht an die Ursachen anknüpft. Wir bekämpfen die Schulden, und wir sagen, wir brauchen eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Aber die Schul­den sind die Folgen der Krise und nicht der Auslöser. Auslöser der Krise sind deregu­lierte Finanzmärkte gewesen, ist eine ungleiche Verteilung von Einkommen, insbeson­dere aber von Vermögen gewesen – und genau dort knüpfen diese Strukturmaßnah­men nicht an. Das ist symptomatisch für die Politik der EU.

Herr Haubner hat gesagt, dass höhere Steuern auf Vermögen standortschädlich sind. Also dafür hätte ich schon gerne einmal einen empirischen Beleg. Das ist doch ein Un­fug der Sonderklasse, lassen Sie das doch endlich bleiben! (Beifall bei den Grünen.)

Kommen wir zurück zu den Strukturreformen und schauen wir, welche Strukturrefor­men den Staaten des Südens durch die Troika auferlegt worden sind! – Das sind Lohn­kürzungen, das sind Eingriffe in die Tarifautonomie der Sozialpartner, das sind Kürzun­gen von Sozialleistungen, das sind Kürzungen von Mindestlöhnen, das sind Privatisie­rungen. Mit einem Wort: Lohndumping und Sozialabbau! Aber wer hat sich Vorteile verschafft? – Nicht die Staaten Südeuropas, nein, sondern jene Staaten haben sich Vorteile verschafft, die sich Exportweltmeister nennen, Österreich etwa, insbesondere aber Deutschland.

Was steht denn hinter dem Modell des Exportweltmeisters Deutschland, was steht hin­ter dem österreichischen Modell? – Dahinter steht, sich einen Vorteil durch extreme Lohnzurückhaltung zu verschaffen, in Deutschland durch Aufbau eines extrem stark ausgeprägten Niedriglohnsektors. Mit dieser Politik, meine Damen und Herren, werden wir aus der Wachstumsschwäche in Europa nicht herauskommen, wenn die Lasten der Anpassung nicht auch von den Staaten Nordeuropas, von den Überschussländern, in den Leistungsbilanzen wahrgenommen werden – Deutschland, Niederlande, Öster­reich –, sondern ausschließlich den Staaten Südeuropas aufgebürdet werden, mit ex­tremen sozialen Verwerfungen.

Diese Politik, dieser Wahnsinn, soll jetzt noch ausgeweitet werden durch einen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit, durch bilaterale Verträge zwischen den Nationalstaaten und der Europäischen Kommission. Mit einem Wort: Das, was die Troika den Staaten Südeuro­pas auferlegt, dieses Lohndumping und der Sozialabbau, soll nun europäisiert werden. Europa geht anders, meine Damen und Herren!

Herr Minister, wenn Sie davon sprechen oder davon träumen, dass wir ein dynami­sches Europa mit einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft brauchen, so antworte ich Ihnen darauf: Wir brauchen einen Kurswechsel in Europa, einen Kurswechsel, der durchaus Geld böte, um Konjunkturprogramme zu fahren. Der deutsche öffentliche Haushalt wird demnächst wieder Überschüsse haben. Warum kommen die Deutschen ihrer Verant­wortung für eine expansivere Politik nicht nach?

Oder: Heute tagt der Europäische Rat in Sachen Bekämpfung des Steuerbetrugs, der Steuerhinterziehung. 1 Billion € entgeht jährlich den öffentlichen Haushalten durch Steuerbetrug und Steuerhinterziehung. Der Europäische Rat hat es heute in der Hand, Nägel mit Köpfen zu machen und sich Geld für eine entsprechende Konjunkturpolitik,


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