Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll213. Sitzung / Seite 130

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Ich erzähle Ihnen einen persönlichen Fall, worum geht es eigentlich im Konkreten?  Ich hatte letztes Jahr ein paar Tage vor Weihnachten einen völlig aufgeregten 17-jährigen Automechanikerlehrling bei mir in der Ordination. Ich betone ausdrücklich, ich bin kein Therapeut, ich bin nur praktischer Arzt, aber ich behandle auch Menschen, die glauben, psychisch krank zu sein. Fünf Tage vor Weihnachten, völlig in Panik, mit einer Schlafstörung kommt der Bub zu mir und sagt, er könne sich nicht mehr konzentrieren, er sei wertlos, und er möchte aus dem Job raus; er sei in einem tiefen Loch und denke daran, sich etwas anzutun.

Jetzt versuchen Sie einmal, sogar im gut versorgten Wien, als Hausarzt fünf Tage vor Weihnachten einen Psychiater zu kriegen! Versuchen Sie einmal, in Wien einen Psycho­therapeuten zu finden, der auf Kassenkosten ordiniert und so weiter! Unter 14 Tagen, selbst bei Bemühen, ist da nichts zu erreichen. Also gut, tut der kleine Dr. Rasinger mit seinen bescheidenen kleinen Mitteln etwas. Ich habe ihm etwas zum Schlafen verord­net, etwas zum Entspannen, ein Antidepressivum, habe ihn am nächsten Tag wieder­bestellt, habe ihm sehr viel Zuwendung gegeben, habe versucht, herauszufinden, was die Ursache war.

Die Ursache war relativ simpel: Ein Kollege hat ihn im Job ständig gehänselt, hat gesagt: Du bist unfähig!, und das hat sich so verfestigt, dass er es dann wirklich geglaubt hat und einfach in Panik geraten ist. Langer Rede kurzer Sinn: Nach 14 Ta­gen war der Bub aus der Krise draußen, wir haben auch mit den Eltern und dem Arbeitgeber geredet, und er hat später die Lehrlingsprüfung super bestanden. Das war also eine bescheidene Intervention.

Wenn so eine Intervention nicht erfolgt, wenn der nicht in irgendeine Form der Betreu­ung kommt, kann man sich ausmalen, was da alles entsteht. Schon Professor Strotzka, der große Psychoanalytiker, hat gesagt: Das Wesentliche ist, dass man einen guten Pfarrer hat, einen guten Barkeeper, einen guten Freund, also jemanden, der einem zuhört und sich zuwendet. Und darum hat mich das gestört, im Rahmen des Gesetzes, dass Berufsgruppen, die eigentlich zum Reden berufen sind, nicht reden, sondern sofort mit Demos und mit Mail-Aktionen agieren. Mit mir hat kein Einziger geredet, und ich bin sehr redefreudig, würde ich einmal sagen. (Beifall sowie Rufe bei der ÖVP: Wissen wir!)

Ich glaube, man tut jemandem nichts Gutes, wenn man einen anderen erniedrigt und sagt: Du behandelst nicht, oder deine Behandlung ist weniger wert als die andere. Ich glaube, das sollten wir lassen. Wir waren bei dem Gesetz nur davon getragen, die Qualität zu verbessern, und das ist dringend notwendig. Wie Frau Kollegin Oberhauser schon gesagt hat, glaube ich, müssen wir nach 25 Jahren auch das Psychothe­rapie­gesetz einem Relaunch unterziehen.

Das Ziel ist relativ simpel bei dem Gesetz: Wir wollen, dass in dieser schwierig wer­denden Welt Menschen mit therapeutischer Hilfe vielleicht in dem einen oder anderen Fall besser zurechtkommen. Es ist nicht darum gegangen, irgendjemanden abz­uwerten, sondern immer darum gegangen, die Qualität zu erhöhen.  Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über diese Punkte der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

 


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