Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll213. Sitzung / Seite 237

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Großer Dank geht an den Abgeordneten Grünewald. Ich höre, du wirst nicht mehr kandidieren. (Abg. Dr. Grünewald: Ich bin noch da!) Deine Expertise wird uns fehlen. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Sondersitzungen warten noch!) Kollege Grünewald, dass du dich manchmal an mir gerieben hast, das ehrt mich fast, denn wenn sich ein Universitätsprofessor an einem Praktiker reibt, dann ist dies schon eine Erwähnung wert. Danke dir für deinen vielen Input. (Allgemeiner Beifall.)

Aber jetzt zur Sache selbst: Entscheidend dafür, ob eine Gesundheitsreform erfolgreich ist, ich habe schon mehrere Gesundheitsreformen erlebt, ist nicht die Dicke des Papiers und nicht die Zahl der Paragraphen, sondern ob die Versorgung gut, wenn nicht sogar besser wird. Wir verteidigen Platz eins bis drei in der Welt, ich würde sagen, eher drei. Wir sind bei den Kosten auf Platz acht bis neun, also so schlecht liegen wir nicht. Wir sollten auch aufhören mit dem Unsinn, dass das alles ineffizient ist. Das entbehrt jeder Grundlage. Aber entscheidend ist, dass die Primärversorgung klappt, und das sind einmal die Hausärzte. Sie werden es mir nicht glauben, ich bin ein Hausarzt, und ich mache das seit 30 Jahren. Also ich glaube, ich weiß, wovon ich rede.

Zu meiner Überraschung hat der Hauptverband eine Studie gemacht, aus der hervor­geht, dass 93 Prozent der Österreicher es toll finden, dass es Hausärzte gibt. Aber Spaß beiseite, es ist fünf vor zwölf, uns rennen die Hausärzte davon. Uns rennen die Ärzte nach Deutschland und in andere Länder, etwa England, davon. Und wenn wir nicht bald aufwachen, dann werden wir keine haben, so wie das in Deutschland der Fall ist, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, wo man den Uni-Studenten bereits Geld dafür gibt, dass sie das überhaupt machen.

Warum wird es keine Hausärzte geben? Der Grund ist nicht, weil ich das ins Regierungsprogramm hineingeschrieben habe und der Herr Minister dies leider nicht durchgeführt hat, nämlich ein Hausarztmodell, wir haben da fünf Jahre verloren, sondern – erstens – in den Spitälern fühlen sich die jungen Ärzte nicht ausgebildet, Stichwort Spritzenschani. Zweitens: Das, was jetzt an Vorschlägen daliegt, ist unaus­gegoren, denn die Universität macht ein praktisches Jahr völlig unabgestimmt mit Ihnen. Sie machen wieder einen Common Trunk. Kein Mensch weiß, ob man da überhaupt Leute und Spitäler finden wird, die die Ausbildung machen.

Draußen gib es minus 40 Prozent Einkommen gegenüber dem Facharzt, jede Menge neue Bürokratie. Ich sage nur, in dem sogenannten Gesundheitsreformpapier wimmelt es ja wieder vor Diagnose und irgendwelchen Kodierungen. Da wünsche ich Ihnen viel Glück, dass Sie das ohne Bürokratie auf die Beine kriegen. Fakt ist, wir haben immer mehr auch den Einfluss der Ökonomie. Es gibt durchaus einflussreiche Kassen­funktionäre, die ein Bonus-Malus-System für Folgekosten fordern.

Ich sage Ihnen eines, das ist die Ethik pur, die da zu Grabe getragen wird, denn wenn ich die zehn teuersten Patienten von mir, Leukämiepatienten, Hepatitis C et cetera, rausschmeiße, dann schaffe ich 30 Prozent weniger.

Oder anders gesagt – wie es Gebietskrankenkassendirektor Pazourek gesagt hat –: 5 Prozent der Patienten verursachen – ein böses Wort – 50 Prozent der Kosten.

Letzter Punkt: Lehrpraxis. Wir sind nicht einmal imstande, seit 20 Jahren, den Gegen­wert eines halben Autobahnkilometers, nämlich 15 Millionen €, aufzubringen. – Es ist zum Fremdschämen!

Ich komme schon zum Schluss: Ich bin seit 30 Jahren Hausarzt, ich mache das sehr gerne. Ich sehe aber mit Schrecken, dass in ganz Europa die Hausärzte ausgehen, und in Österreich werden uns auch bald die Hausärzte ausgehen. Da man sehr lange braucht, um einen Hausarzt auszubilden, ist es, wie ich glaube, nicht nur fünf vor zwölf, sondern eins vor zwölf – und das sollten wir alle bedenken. Ich werde mit Sicherheit


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