Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 215

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Kollegin Lueger hat gesagt, dieses Gesetz rehabilitiere auch jene NS-Vertriebene, die die Staatsbürgerschaft verloren haben, und deren Nachkommen. – Das ist eine etwas kühne Behauptung. (In Richtung Abg. Lueger, die eine entsprechende Geste macht:) Sie deuten schon so, das kommt der Wahrheit schon näher, genau: In einem kleinen, schmalen Segment, das das Gesetz zufälligerweise oder bewusst abdeckt – darüber will ich nicht spekulieren –, ist es gegeben.

Also wenn man Nachkomme eines NS-Opfers ist und zufälligerweise nach 1964 gebo­ren wurde, nicht davor, und wenn die Mutter zu diesem Zeitpunkt hoffentlich Österrei­cherin war, dann bekommt man die Staatsbürgerschaft (Zwischenrufe der Abgeordne­ten Petzner und Grosz in Richtung des Abg. Dr. Matznetter); wenn man davor gebo­ren worden ist oder wenn die Mutter die Staatsbürgerschaft nicht hatte, dann bekommt man sie nicht. – Also Lösung ist das keine! (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter. – Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Es war auch ein Wunsch der Kultusgemeinde, dass es da eine Lösung gibt, und ich finde es schade, Frau Innenministerin, dass Sie für diese Lösung nicht offener waren; ich habe das im Ausschuss schon gesagt. (Abg. Grosz: Kannst dich wieder hinlegen!) Ich kenne Sie ja bei diesem Thema als sehr unverdächtig und in Ihrer Position klar, und umso mehr verwundert mich das. Ich habe das auch im Ausschuss schon mit Ih­nen diskutiert. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Das Hauptproblem der NS-Vertriebenen ist Folgendes: 1938 haben sie ihre Staatsbür­gerschaft verloren, und zwar unfreiwillig, weil die Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, oder sie sind geflüchtet und haben zum eigenen Schutz in einem fremden Land, für sie fremden Land, die Staatsbürgerschaft angenommen.

Im Jahre 1945 hat man diese NS-Gesetze, die die Staatsbürgerschaft aberkannt ha­ben, aufgehoben. Das Problem war aber: Da die betroffenen NS-Opfer eine neue Staats­bürgerschaft angenommen haben, haben sie den Verlusttatbestand Annahme einer neu­en Staatsbürgerschaft gesetzt und – obwohl das Gesetz zurückgenommen worden war – die Staatsbürgerschaft gleich wieder verloren.

Es hat dann – das habe ich auch im Ausschuss gesagt – durchaus einige Verbesse­rungen gegeben und 1993 einen erleichterten Erwerb. Trotzdem hat aber die Histori­kerkommission der Republik Österreich, die eingesetzt wurde, den Sachverhalt klar be­urteilt und gesagt, dass der derzeitige Gesetzesstand dem historischen Sachverhalt nicht angemessen ist.

Meiner Meinung nach hätte man den letzten Schritt gehen und in zwei Punkten nach­bessern sollen, nämlich erstens, für die Betroffenen die Regeln so gestalten, dass sie mit einer erleichterten Annahme der Staatsbürgerschaft die neu angenommene Staats­bürgerschaft nicht verlieren – also jene des neuen Landes –, weil das für sie natürlich sozialversicherungsrechtliche und sonstige Nachteile hat; das ist derzeit nicht möglich. Und das zweite Angebot, das man hätte schaffen können, wäre ein Angebot für die Nachkommen zum erleichterten Erwerb der Staatsbürgerschaft. Warum? – Die Staats­bürgerschaft folgt der Staatsbürgerschaft der Eltern. Wenn den Eltern zu Unrecht auf­grund des NS-Verbrechens die Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, können sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht annehmen. Auch dieses Angebot hat man nicht gemacht.

Ich bedauere das und sage noch einmal: Ich verstehe nicht, warum Sie da nicht einen Schritt gesetzt haben. Das Argument, diese Nachkommen haben mit Österreich nichts mehr zu tun, ist falsch. Ihre Eltern waren ja Österreicherinnen und Österreicher, und sie haben es sich nicht ausgesucht, dass sie vertrieben worden sind. Ich glaube auch nicht, dass Massen zuwandern würden. Die meisten – das stimmt schon – haben in Nordamerika, in Südamerika, in Asien eine neue, nicht nur berufliche Heimat gefunden;


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