Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll1. Sitzung / Seite 41

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

XXIV. Gesetzgebungsperiode. Österreich hat diese Aufgabe im Vergleich zu vielen an­deren Ländern gut gemeistert.

Es liegt im Wesen der Zukunft, dass sie ungewiss ist; das ist freilich kein Grund, ihr oh­ne Zuversicht oder konzeptlos entgegenzutreten. Lassen Sie mich einige Eckpunkte skizzieren, die für unsere Arbeit in den vor uns liegenden fünf Jahren wichtig erschei­nen, und lassen Sie mich dabei mit dem Haus selbst beginnen!

Die Generalsanierung des mittlerweile mehr als 130 Jahre alten Parlamentsgebäudes ist unaufschiebbar. Sie hat zu erfolgen, und sie muss ein nationales Anliegen sein, denn dieses Haus ist in vielerlei Hinsicht – architektonisch, historisch, kulturell, poli­tisch – ein kostbares Erbstück, das es zu bewahren gilt. Vor allem ist dieses Haus das Zentrum unserer Demokratie.

Im Wissen um die Bedeutung dieses Hauses sind sich die Fraktionen einig über die Notwendigkeit und die Dringlichkeit der Sanierung, das ist eine stabile Basis für ein derartiges Vorhaben. Wir, der Nationalrat, werden in absehbarer Zeit zu entscheiden haben, in welchem Umfang und in welcher Form dieses Sanierungsprojekt umgesetzt werden soll, und wir werden zu beschließen haben, wie viel Steuergeld dafür aufge­wendet werden soll. Umfangreiche Vorarbeiten der Parlamentsdirektion werden uns ei­ne fundierte Basis für Entscheidungen liefern, wir sollten sie mit Selbstbewusstsein für einen zeitgemäßen Parlamentarismus einerseits, aber auch mit Sinn für Sparsamkeit andererseits treffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Parlamentarismus und Demokratie in unserem Land sind gewiss kein Sanierungsfall, wir dürfen uns jedoch einer Weiterentwicklung nicht verschließen und müssen zu Reformen bereit sein. Es findet eine öffentliche Debatte darüber statt, wie die Bürgerinnen und Bürger wirksamer in den politischen Willensbil­dungsprozess eingebunden werden können. Die Frage lautet nicht – die Frage lautet für mich nicht –: repräsentative oder direkte Demokratie?, denn das eine schließt das andere nicht aus, vielmehr ergänzen einander beide.

Das Parlament ist in der Demokratie der Ort des Ausgleichs zwischen unterschiedli­chen politischen, sozialen und ökonomischen Interessen, der Ort, an dem gesellschaft­liche Konflikte ausgetragen und gute tragfähige Kompromisse erstritten werden. Das heißt, politische Willensbildung muss auch in Zukunft auf parlamentarischem Boden passieren. Wer Demokratie reformieren will, muss daher zunächst das Parlament stär­ken, denn ohne ein starkes, selbstbewusstes Parlament kann es keine lebendige De­mokratie geben.

Zweites entscheidendes Kriterium für eine Demokratiereform ist Ausgewogenheit. Es muss gewährleistet sein, dass Politik nicht auf die Durchsetzung von Gruppeninteres­sen reduziert wird und dass auf die Rechte von Minderheiten Rücksicht genommen wird. Wir sollten uns ausreichend Zeit für eine gründliche Diskussion über eine solche Demokratiereform nehmen. Das gilt im Übrigen für alle Themen, die eine breite, umfas­sende Debatte verdienen. Und wir sollten dafür die vielfältigen Instrumente nutzen, die unsere Geschäftsordnung vorsieht, etwa die Parlamentarische Enquete oder die En­quete-Kommission.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das angesprochene Verhältnis von Mehrheit zu Min­derheit prägt auch den Parlamentarismus. Wenn Beschlüsse breitestmöglich mitgetra­gen werden sollen, braucht es ein Klima gegenseitigen Vertrauens und die grundsätzli­che Bereitschaft zum Konsens, jedenfalls aber zum Kompromiss. Allen Abgeordneten, egal, ob sie einer Regierungsfraktion oder der Opposition angehören, kommen die glei­chen Rechte zu. Die Minderheitsrechte sind im österreichischen Parlament verglichen mit anderen Ländern gut ausgestaltet, andererseits machen Mehrheitsentscheidungen das Wesen der Demokratie aus und haben somit per se nichts Anrüchiges. Das eine


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite