Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 66

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Loacker gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


10.24.19

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS-LIF): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Die ÖVP ist na­türlich voll des Lobes über die Familienpolitik, für die sie seit Jahren verantwortlich zeichnet. Dabei werden jedoch einige Dinge außer Acht gelassen.

Familienpolitik kann man auf drei Arten machen: durch Transfers, durch Betreuungs­maßnahmen und auf der steuerlichen Seite. Österreich leistet da in Summe sehr viel, aber wir haben einen starken Fokus auf den Transfers, und mit den Maßnahmen, die die Regierung jetzt vorgesehen hat, doppeln Sie dort noch einmal überproportional auf, und dieses Dreieck kommt in eine Schieflage. Das ist unserer Meinung nach nicht ge­scheit.

Sie haben außerdem, insbesondere Sie von der ÖVP-Fraktion, vergessen, was der Rechnungshof 2011 zu den Familienleistungen gesagt hat. Es wurde festgehalten, dass 117 verschiedene Stellen Familienleistungen in irgendeiner Form erbringen, dass die Zahl der Ministerien, die in irgendeiner Weise mit Familienleistungen befasst sind, viel zu hoch ist. Aber da ist nichts geschehen.

Es reicht schon – wenn ich mich jetzt darauf konzentrieren darf –, wenn man sich an­schaut, was im steuerlichen Bereich mit den Familien passiert und was eine Familie im Rahmen der Korrespondenz mit dem Finanzamt alles leisten muss. Da gibt es ja nicht nur die Familienbeihilfe, sondern auch den Mehrkindzuschlag, bei dem sich schon Ihre Kurzzeit-Staatssekretärin Remler nicht ausgekannt hat, den Kinderabsetzbetrag, den Kinderfreibetrag, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag, er­höhte Sonderausgaben ab drei Kindern, je nachdem, den Unterhaltsabsetzbetrag, au­ßergewöhnliche Belastungen für die Kosten von Kinderbetreuung, wenn sie aufgrund der Berufstätigkeit von AlleinerzieherInnen erforderlich ist. Seit 2009 gibt es die Ab­setzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Weiters gibt es die steuerfreien Zuschüsse des Arbeitsgebers zur Kinderbetreuung.

Auf gut Deutsch: Eine Familie braucht einen Steuerberater, damit sie all diese Regie­rungswohltaten in Anspruch nehmen kann. Aber das kann doch nicht das Ergebnis sein. Das ist doch total weltfremd.

Sie wissen ja selbst, dass die Inanspruchnahme vieler Leistungen deswegen nur halb so hoch ist, wie bei ihrer Einführung geplant war, weil das Ganze für die Familien, die im wirklichen Leben stehen, viel zu kompliziert ist. Da reden wir noch gar nicht davon, was die Länder dazu an Parallelstrukturen und Förderungen aufgebaut haben.

Es möchte mir bitte niemand erzählen, insbesondere niemand von der ÖVP, dass Sie mit diesem Regelungswirrwarr irgendwelche Ziele verfolgen. Das ist ein Chaos. Wenn Sie etwas erreichen wollen, muss eine Logik dahinter stehen, brauchen Sie ein Sys­tem, etwas, was nachvollziehbar und für die Familien berechenbar ist, auf viele Jahre hinaus. Familienplanung macht man ja auch nicht schnell einmal über das Wochenende.

Ihr System, das jetzige System dient nicht dem Wachstum von Familien, sondern dem Wachstum von Tintenburgen.

Eine weitere ÖVP-Familien-„Glanzleistung“, die Sie in der Ära Schüssel fabriziert ha­ben, ist die österreichische Variante der Elternteilzeit. Hier haben Sie in der guten Ab­sicht – das unterstelle ich Ihnen –, Eltern zu schützen, komplett über das Ziel hinaus­geschossen und genau das Gegenteil erreicht. Sie haben all jene, die als Elternteil Vollzeit arbeiten, bestraft, und Sie haben den Unternehmen ein bürokratisches Monster zugemutet.

 


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