Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 153

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man darf das also nicht offen machen. Und dann wird das in die Wahlurne gelegt; die Wahlurne ist versiegelt und wird erst nach Ende des Wahlvorgangs um 17 Uhr über­haupt geöffnet.

Das ist also ein sehr großer Aufwand, völlig zu Recht. Man hat offenbar Bedenken, dass da etwas passieren könnte. Man möchte, dass das kontrolliert wird. Und das soll ganz korrekt sein, damit die Bevölkerung das Gefühl hat und auch weiß, dass so ein Wahlvorgang korrekt abgewickelt wird.

Bei der Briefwahl trifft all das, was ich Ihnen jetzt gesagt habe, nicht zu. Die Grund­sätze des Wahlrechts sind eben, dass wir ein freies, geheimes, unbeeinflusstes, per­sönliches Wahlrecht haben. All das trifft nicht zu. Wir wissen nicht, wer bei der Brief­wahl wirklich die Willenserklärung abgibt. Es gibt zwar eine Unterschrift, mit der derje­nige erklärt, dass er diese Stimme selbst abgegeben hat, aber wenn er beeinflusst, unter Druck gesetzt wird, wenn das jemand für ihn macht, dann wird diese Unterschrift ebenfalls geleistet.

Wir wissen also nicht, wer wirklich diese Willenserklärung abgibt. Wir wissen nicht, ob es geheim passiert ist, ob jemand zugeschaut hat. Wir wissen auch nicht, ob es frei war. Denken Sie daran, dass bei Wahlen, wie sie jetzt abgewickelt werden, 50 Meter entfernt von Wahllokalen keine Plakate aufgehängt werden dürfen, damit wir nicht be­einflusst werden. Aber was ist bei der Briefwahl? Da kann während des Wahlvorgangs jede Beeinflussung stattfinden. Es wird also keinem der Wahlgrundsätze entsprochen.

Dann kommt diese Briefwahlkarte zur Behörde, und dann liegt sie dort. Sie liegt dort nicht in einer Wahlurne versiegelt, und es schauen nicht Mitglieder der Wahlkommis­sion darauf, dass nichts passiert, sondern wir wissen in Wirklichkeit nicht, wo sie liegt. Sie liegt auf einer Behörde, und wir wissen nicht, was mit ihr passiert.

Ich unterstelle hier überhaupt nichts, ich sage nur: Der Gesetzgeber hat sich etwas dabei überlegt, dass er bei einem Wahlvorgang so hohe Standards angelegt hat. Bei der Briefwahl gilt das eben alles nicht. Daher sind wir der Überzeugung: Die Briefwahl sollte nur im kleinstmöglichen Ausmaß möglich sein, und zwar für Auslandsösterreicher und jene Österreicher, die während eines Wahlvorgangs nachweislich im Ausland sind. Alle anderen können mit einer Wahlkarte, die es ja auch gibt, die man sich besorgen kann, vor einer anderen Wahlkommission ihre Stimme abgeben. Dann gelten dort wie­der all die Voraussetzungen: frei, geheim, unbeeinflusst und so weiter.

Jeder Österreicher hat die Möglichkeit, in ein Wahllokal zu gehen, auch wenn er schon in der Früh aufsteht, wandern geht oder sonst etwas macht und den ganzen Tag unter­wegs ist. Das schafft jeder und kann sich jeder einteilen. Wir sind daher der Meinung, dass das der richtige Weg ist.

Es wird immer gesagt, die Briefwahl sei ein Erfolgsmodell. Da frage ich mich: Woran wird der Erfolg bei einem Wahlvorgang gemessen? Daran, dass er besonders sicher ist? Daran, dass er nachvollziehbar ist? Daran, dass das Vertrauen in ihn besonders groß ist? Dass die Standards des Wahlvorgangs besonders hoch sind? Oder geht es jetzt nur darum, wie viele Stimmen überhaupt abgegeben werden?

Gemessen an den ersten Punkten ist die Briefwahl, wie ich schon erklärt habe, ein­deutig kein Erfolgsmodell, im Gegenteil. Und wenn wir davon ausgehen, dass dadurch mehr Stimmen abgegeben werden, dann muss ich sagen: Nicht einmal das ist fest­stellbar. In Wirklichkeit wurde die Wahlbeteiligung in den letzten Jahren immer noch geringer, trotz Briefwahl, es nimmt nur der Anteil der Briefwähler zu und damit natürlich der Anteil derjenigen, die unter nicht sicheren Voraussetzungen ihre Stimme abgeben.

Wie wichtig es ist, dass die Bevölkerung Vertrauen in einen Wahlvorgang hat, sieht man ja an anderen Staaten wie der Ukraine oder auch an Staaten, manchmal vielleicht


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