Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll17. Sitzung / Seite 25

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Wir haben bereits vor 13 Tagen eine neue parlamentarische Möglichkeit genützt, nämlich die Dokumentenanfrage – das ist ein Recht aus dem Vertrag von Lissabon, das in dieser Form noch nicht angewandt wurde. Wir haben mittels dieses Rechts – und das ist ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht – die Bundesregierung aufgefordert, die Dokumente zu übermitteln. Das ist jetzt 13 Tage her. Die Frist endet übermorgen. Wir haben bis zum heutigen Tag kein einziges Blatt Papier erhalten.

Es würde mich schon interessieren, Herr Bundeskanzler, warum Sie bei dieser Ge­heim­haltungspolitik zu hundert Prozent mitmachen und diese Geheimniskrämerei, diesen Rechteentzug – Recht auf Information – von der EU-Kommission abwärts auch in Österreich mitvollziehen. Dazu möchte ich bitte heute eine Äußerung von Ihnen.

Die offizielle Begründung für diesen Geheimhaltungstango ist ja völlig absurd: Man möchte sich von der anderen Verhandlungsseite – sprich: von den Amerikanern – nicht in die Karten schauen lassen. Also spätestens nach der Abhöraffäre in der EU-Kommission und im Europaparlament, wo die Amerikaner über die NSA nachweislich zuhauf Daten, Informationen und Verhandlungspapiere der Europäer ausspioniert haben, ist dieses Argument wohl mehr als absurd! Es ist auch demokratiepolitisch höchst bedenklich, dass es keinerlei Transparenz in all diesen Fragen gibt. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Grund für diese Geheimhaltung wird wohl auch sein, dass man massiven Wider­stand befürchtet, und zwar von den Parlamenten – Widerstand gibt es im Übrigen bereits im Kongress der Vereinigten Staaten und im Abgeordnetenhaus –, nämlich dagegen, dass man nicht bereit ist, die tiefgreifenden Auswirkungen dieses Abkom­mens ernsthaft zu diskutieren: Was bedeutet das für unsere Ernährung, für unsere Lebensmittelproduktion, für unsere Sozialstandards, für unsere Kulturpolitik, für unser Rechtssystem und auch für unser Verständnis von direkter Demokratie?

Es geht schon lange nicht mehr darum, Handel mit Waren und Dienstleistungen zu liberalisieren, sondern es geht um ganz andere Fragen, und diese werden in Europa und in Amerika sehr unterschiedlich beantwortet. In Europa haben wir unsere Lehren aus diversen Lebensmittelskandalen gezogen. Wir erinnern uns, als Tierkadaver an Rinder verfüttert wurden und dann die BSE-Krise ausgebrochen ist. Wir haben unsere Lehren gezogen und verwenden Antibiotika nicht mehr in Tierfutter, weil dann Medi­kamente nachweislich unwirksam werden und Antibiotikaresistenzen auftauchen. Wir haben unsere Lehren gezogen und wollen nicht, dass ganz wenige Saatgutkonzerne ganz zentral über die gesamte Saatenvielfalt verfügen, so wie das in den USA mit Monsanto und Pioneer der Fall ist.

In Europa haben wir in allen Rechtsbereichen ein ganz wichtiges Prinzip eingeführt, nämlich das Vorsorgeprinzip, und das aus gutem Grund. Produkte dürfen nur dann auf den Markt und in die Hände von Menschen – ob das Kinder oder ältere Menschen sind –, wenn geprüft ist, dass sie nicht schädlich sind. In den USA ist das komplett anders. Da gilt das Risikoprinzip. Produkte dürfen erst dann vom Markt genommen werden, wenn das Risiko erwiesen ist. Da sage ich auch als Mutter von zwei Kindern: Mir sind strenge Chemikalienrichtlinien lieber, als im Nachhinein überprüfen zu müssen, ob das Material im Babyschnuller oder in der Babytrinkflasche giftig war oder ob dieses oder jenes Lebensmittel vielleicht eine Allergie ausgelöst hat. Ich stehe zu diesem Vorsorgeprinzip, und das wünsche ich mir von Ihnen auch, Herr Bundes­kanzler! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Weigerstorfer. Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Die Landwirtschaft hat in Österreich und in ganz Europa als Bestandteil unserer Kultur einen ganz anderen Stellenwert, als das in Amerika der Fall ist. Wir haben Betriebe, die nicht größer sind als die kleinsten in den USA. Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen


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