Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll17. Sitzung / Seite 136

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"Die unterschiedliche Verbuchung der Schulden und Vermögenswerte in den Rech­nungsabschlüssen der überprüften Länder erschwerte die Beurteilung und den Ver­gleich der finanziellen Lage erheblich. Für wichtige Bereiche des Rechnungswesens fehlen Regelungen. Dies betrifft vor allem die Bewertung des Vermögens und die Ermittlung und Darstellung zukünftiger Verpflichtungen (sogenannte nicht fällige Verwaltungsschulden)." (Rechnungshof: Konsolidierungsmaßnahmen der Länder Kärnten, Niederösterreich und Tirol / Niederösterreich 2012/3, S. 247)

Es bedarf daher einer Bilanzierung nach der doppelten Buchführung, weil dann Verluste aus Finanzgeschäften, langfristigen Investitionen und Abschreibungen dar­gestellt werden würden. Verfassungsrechtlich hat der Bundesminister für Finanzen hierzu auch die Möglichkeit: Gem. § 16 Abs. 1 F-VG, welcher eine Bedarfskompetenz zur Erlassung einer gesetzesvertretenden Verordnung vorsieht, kann er im Einver­nehmen mit dem Rechnungshof eine Verordnung erlassen, die ein einheitliches Rech­nungswesen für die Länder vorsieht. Die derzeit auf dieser Grundlage in Geltung stehende Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung 1997 (in der Folge: VRV) entspricht vielfach nicht den aktuellen Anforderungen an ein leistungsfähiges, steuerungsorientiertes Finanzinformationsrecht für die öffentliche Hand. (Bernt in Bernt Michael/König Carmen (2011): Staatsinsolvenz, Staatsrating und Staatssteuerung – nationaler und internationaler Handlungsbedarf unter besonderer Berücksichtigung des Beitrags der öffentlichen Finanzkontrolle, insbesondere S. 93-102 u. 108, Master Thesis an der Wirtschaftsuniversität Wien, unveröffentlicht)

ExpertInnen sehen hierfür die "Heiligenbluter Vereinbarung" als wesentlich:

"Der Bund sagte damals Ländern und Gemeinden zu, Form und Gliederung der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse nur im Einvernehmen mit ihnen zu regeln. Sodass es, so Mayer, zwar eine Verordnung dafür gibt, die aber ungenügend ist. Ändern könnte man das jederzeit: Die Heiligenbluter Vereinbarung ist nicht rechts­verbindlich, sondern laut dem Verfassungsjuristen "höchstens ein Gentlemen’s Agree­ment". An dem seitens des Bundes aber niemand rüttelt, "weil sie zu feig sind". Oder, anders ausgedrückt, weil "die Spitzen des Bundes am Gängelband der Länder hängen". Und sich bei einem Finanzminister, der das Agreement bricht, die Frage stellt, "wie lang der dann noch Finanzminister ist". ("Die Presse", Heinz Mayer, Print-Ausgabe, 28.02.2014)

Auch Rechnungshofpräsident Josef Moser zieht diesen Schluss:

"...(Seit) 1974 gilt die Heiligenbluter Vereinbarung. Da wurde ein VR-Komitee geschaffen, in dem Bund, Länder, Städte und Gemeindebund vertreten sind und das Einstimmigkeit bei der Weiterentwicklung der Rechnungslegung vorschreibt, weshalb eine Vereinheitlichung nicht voranschreitet. Nach der Verfassung hätte der Finanzminister das Recht, nach der Heiligenbluter Vereinbarung hat er sich aber doppelte Fesseln angelegt." ("Die Presse", Josef Moser, Print-Ausgabe, 22.02.2014)

Die Heiligenbluter Vereinbarung legt die Einrichtung eines ständigen VR-Komitees (Vertreter Bund, Länder sowie Gemeinde- und Städtebund) für jede Änderung der VRV fest und sieht für jede Änderung eine doppelte Zustimmung vor; die Meinungsbildung im VR-Komitee erfolgt "stimmeinheitlich". Dass ein wie oben bezeichnetes "Gentlemen’s Agreement" verhindert, dass eine unbedingt notwendige Verordnung zur einheitlichen Rechnungslegung nach wie vor nicht erlassen wurde, ist höchst bedenklich. Ob Finanzminister Spindelegger nun wieder über diese nicht rechts­verbindliche Vereinbarung eine Änderung anstrebt, ist unklar. Nicht nur österreichi­sches Verfassungsrecht, sondern auch das Recht der Europäischen Union wird durch den jetzigen Zustand verletzt: Die Fiskalrahmenrichtlinie 2011/85/EU schreibt eine


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