Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll17. Sitzung / Seite 245

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Relikt der Barbarei. Die Todesstrafe ist Barbarei. Nun haben wir in Österreich die Todesstrafe durch Österreicher zum letzten Mal 1950 vollstreckt, 1968 haben wir sie abgeschafft, und heute ist sie Gott sei Dank in ganz Europa abgeschafft und verboten bis auf zwei Ausnahmen: Weißrussland und Russland. Leider schaut es im Rest der Welt nicht so aus, inklusive auch in befreundeten westlichen Staaten wie in den USA und Japan. Aber ganz, ganz besonders schlimm ist es natürlich in Saudi-Arabien.

Die Sache mit der Todesstrafe ist für die meisten von uns ein bisschen so etwas wie die Folter im Mittelalter: Das sind Zahlen – wir haben es heute gehört; wir haben vielleicht vor zwei Tagen mit Schrecken gehört, dass in Ägypten 529 Menschen auf einmal verurteilt wurden –, und dann vielleicht ab und zu irgendwo einmal ein Bild in einer Zeitung über eine Hinrichtung im Iran, wo so jemand vom Baukran hängt.

Ich möchte diese Wortmeldung dazu verwenden, Ihnen das ein bisschen näher­zubringen, was eine Hinrichtung wirklich ist. Ich habe drei Jahre lang in Saudi-Arabien gelebt und ich habe ungefähr 60 Hinrichtungen ziemlich hautnah miterlebt. Das möchte ich Ihnen jetzt schildern, damit das für Sie ein bisschen mehr Bedeutung hat, und vielleicht würden dann die Anträge ein bisschen schärfer und nicht so verwässert werden, wenn Sie einmal gehört haben, worum es wirklich geht.

Da war ich in meinem Büro im 11. Stock eines Hochhauses – ein Eckbüro, gläserne Fenster bis zum Boden – und blickte hinunter auf einen großen Platz. Am Rande des Platzes war eine Moschee, um die Ecke eine Schule und mitten auf dem Platz ein Holzgerüst, ungefähr fünf mal fünf Meter, eineinhalb Meter hoch, das war das Schafott. Das war ein Parkplatz, und wenn man in der Früh am Platz vorbei ins Büro fuhr und der Parkplatz war abgeriegelt, dann wusste man: Aha, heute ist Hinrichtung! – Übrigens wurde der Platz von den Ausländern Chop-Chop Square genannt.

Und so nach dem Mittagsgebet hat man plötzlich gesehen, wie die Menschenmengen aus der Moschee herausrannten und auch die Schüler von der Schule herausrannten, um anderen zuvorzukommen, um vorne zu sein, um die öffentliche Hinrichtung besser sehen zu können.

Dann wird der Hinzurichtende hingeschleppt. Man zwingt ihn, auf diesem Schafott zu knien, und dann kommt ein Typ in einem langen weißen Kleid mit einem riesigen Säbel – so einen Krummsäbel können Sie auf der Fahne von Saudi-Arabien sehen, das Schwert des Propheten. Alle schreien: Ein Schlag, ein Schlag, ein Schlag! – und er köpft ihn.

Natürlich ist Saudi-Arabien ein moderner Staat. Da kommt ein kleiner Wagen mit Wasser, und es wird gespritzt, damit das Blut weg ist. – Das ist eine „normale“ Hin­richtung, aber es gibt auch Sonderhinrichtungen.

Eines Tages war auf dem Schafott so ein komisches Gestell. Ich habe meine saudi­schen Kollegen gefragt, was das ist, und die haben gesagt: Ja, heute ist eine Kreu­zigung!, auf Englisch: crucifixion. – Und ich habe gefragt: Was?!, aber dann habe ich verstanden. Da wurde der Hingerichtete nach der Hinrichtung auf das Gestell aufgezogen, der Kopf unten vor den Füßen, und wurde noch bis zum nächsten Gebet zur Schau gestellt, sozusagen als zusätzliche Demütigung, als zusätzliche Strafe.

Natürlich haben die auch Probleme mit den Lehrlingen dort und mit der Profession, also mit dem Beruf des Henkers. – Einmal waren zwei Henker da, und ich habe gefragt: Warum zwei? – Antwort: Na ja, der eine ist ein Lehrling. – Und tatsächlich, das ist nicht gut gelaufen, der Lehrling hat es nicht erwischt. Offensichtlich ist es schwer, mit einem Schlag einen menschlichen Kopf abzuschlagen. Der hat ein bisschen zu weit hinten geschlagen und der Kopf ist hängen geblieben mit der Haut vom Hals. Und da


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