Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll21. Sitzung / Seite 149

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Ich kann mir das insbesondere deshalb nicht vorstellen, weil wir immer vom Dialog und vom Forum reden und von der österreichischen Neutralität oder von der Vermittlerrolle und von der Äquidistanz und von der Notwendigkeit, durch Verhandlungen und durch Kontakte Streitigkeiten beizulegen.

Glauben Sie wirklich, Herr Minister, dass die Sanktionierung von Einzelpersonen we­gen Regimefreundlichkeit oder -unfreundlichkeit der Weg des Dialogs, der Brücken­bauerei, der Neutralität ist? Glauben Sie wirklich, dass das österreichische Neutralitäts­expertenteam, das Sie nach Kiew entsendet haben, eine gute Visitenkarte mitbringt, wenn das Ganze von Sanktionen gegen Einzelpersonen aus politischen Gründen be­gleitet ist? – Ich nicht!

Nun zum Antrag der Grünen eine Anmerkung. – Da geht das noch ein bisschen weiter: Da wird ja sogar ein Waffenembargo gegen Russland gefordert. Nicht, dass es Russ­land besonders stören wird, wenn Europa ein Waffenembargo gegen Russland ver­hängt, weil die Waffenexporte dorthin wahrlich minimal sind, aber was soll denn die Aussage dieser Maßnahme sein? Soll sich Österreich jetzt mit aller Gewalt auf eine Seite werfen – auf die amerikanische Seite? Es geht ja längst nicht mehr um die ukrai­nische und die russische Seite, sondern das ist ein amerikanisch-russischer Krieg, ein Powerplay der Sonderklasse. Und das kann man nicht moralisch rechtfertigen.

Oder, Frage an die Grünen: Haben Sie aus dieser Ecke – aus der amerikanischen Ecke – je etwas über mögliche Sanktionen zum Beispiel gegen Ägypten gehört? Dort hat es immerhin einen Putsch gegen ein demokratisch gewähltes Regime gegeben, und zwar im vergangenen Sommer. Immerhin! Seither sind zwischen 4 000 und 4 200 Leu­te auf der Straße erschossen worden, in Gefängnissen umgekommen, verschollen und so weiter. Es hat jetzt die zwei größten Blocks an Todesurteilen gegen politische Geg­ner in der poststalinistischen Zeit gegeben. Diese Zahlen sind letztmals bei Säuberun­gen 1948/49 erreicht worden. Seither hat es das nicht gegeben.

Und wissen Sie, welche Sanktionen verhängt worden sind? – Der amerikanische Kon­gress hat jetzt beschlossen, die Hilfe an das ägyptische Militär – an das ägyptische Militär, nicht für humanitäre Sachen oder für die Entwicklung oder für Wasser- oder Krankenversorgung – in der Höhe von 1,35 Milliarden Dollar auch für das heurige Jahr zu gewähren. – So viel zur Menschenrechtssituation, zur Äquidistanz der Politik! So viel zur Frage, wo wir heute noch stehen!

Wir machen hier eine Politik nach und mit, die eine einseitige Parteinahme für eine Su­permacht unter dem Vorwand des Schutzes von Menschenrechten, des Schutzes von Staaten und so weiter darstellt, und das ist ein grundlegender Verstoß, so wie ich das sehe, gegen unser Selbstverständnis, das ist ein Anbiedern an eine Supermacht, die in keiner Weise moralisch handelt, die sich in keiner Weise an internationale Normen ge­halten hat, die das Völkerrecht mit Füßen getreten hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich brauche nicht immer wieder zu erinnern an das, was im Kosovo oder im Irak oder in Afghanistan oder in Guantanamo passiert ist, oder an das, was die NSA aufgeführt hat und so weiter. Das alles wird ausgeblendet, und die österreichische Innenpolitik folgt blind, wie von einem Blindenstock geführt, amerikanischen Vorgaben, die die Europäi­sche Union ebenfalls übernimmt.

Das Versagen der Europäischen Union zeigt sich am besten im NSA-Skandal. Nichts zeigt uns das dramatischer als der Umstand, dass Snowden in keinem einzigen euro­päischen Land Asyl angeboten bekommt – in keinem einzigen Land! –, obwohl er den europäischen Ländern einen politischen Dienst erwiesen hat wie niemand anderer, ob­wohl er ihnen Dinge vor Augen geführt hat oder, wenn man so will, sie gezwungen hat, Dinge zu sehen, die sie vielleicht schon ohnehin gewusst hat, aber die von unschätz-


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