Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 134

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

„Verdächtiger“, „Beschuldigter“, das ist, glaube ich, im Umgangssprachlichen immer noch sehr nahe bei dem, was man eigentlich verhindern will, nämlich dass man sofort in einen bestimmten Geruch kommt, dass man per se vorverurteilt ist.

Ein weiterer Punkt, der sehr gut ist, ist die Informationspflicht für Beschuldigte bei Ein­stellung. – Ich glaube, es ist sehr angenehm, dass die Betroffenen erfahren, dass et­was strafrechtlich ausgestanden ist.

Auch sehr positiv ist, dass beim Außergerichtlichen Tatausgleich die Möglichkeit zum vorläufigen Rücktritt besteht. Das ist eine Verfahrensvereinfachung, die positiv ist. Das ist sozusagen vielleicht wieder ein bisschen das Gegengewicht, das diversionelle Maß­nahmen begünstigt.

Der zweite Berufsrichter im Schöffenverfahren und damit die Rücknahme einer fal­schen und schlechten Reform von vor ein paar Jahren ist auch positiv.

Herr Minister, ich würde es so formulieren: Das Glas ist halb voll. Da muss dann die Opposition immer entscheiden, was man macht. Die Grünen werden dagegen stimmen aus dem einfachen Grund – ich habe es Ihnen schon im Ausschuss gesagt –, dass diese Novelle in einem Tempo durchgezogen wird, die auch für den Rechtsstaat und für jene, die das kritisch beobachten, nicht gut ist. Ich glaube, die Begutachtungsfrist hat zwei Wochen betragen, und dann ist das sofort ins Parlament gekommen. Das hal­te ich rechtsstaatlich für problematisch.

Herr Minister, ich möchte aber, wenn ich hier stehe, noch ein zweites Thema anspre­chen, das zum Thema Strafprozess passt, das ist die Vorratsdatenspeicherung. Sie wissen, dass 11 139 KlägerInnen gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt haben und dass die Republik Österreich vor Gericht eine schallende Ohrfeige aus grundrecht­licher Sicht erhalten hat.

Der Verfassungsgerichtshof sagt, die Streubreite der Vorratsdatenspeicherung über­trifft die bisher in der Rechtsprechung zu beurteilenden Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz sowohl hinsichtlich des Personenkreises – nahezu die gesamte Bevölke­rung ist davon betroffen – als auch hinsichtlich der Art der betroffenen Daten. Das Ganze ist ein unverhältnismäßiger Eingriff. Der Verfassungsgerichtshof wischt die Vor­ratsdatenspeicherung mit einem Federstrich weg. Er setzt keine Reparaturfrist und hebt sämtliche Bestimmungen auf.

Herr Minister, ich finde, es ist an der Zeit, dass die österreichische Bundesregierung sich hier herstellt und sagt: Liebe Österreicherinnen und Österreicher, wir entschuldi­gen uns, dass wir zwei Jahre lang die Verfassung gebrochen haben (Hallo-Rufe bei der ÖVP) und massiv in das Recht auf Datenschutz und in das Recht auf Privat- und Familienleben eingegriffen haben. – Dass hier „Hallo!“ gerufen wird, ist bezeichnend: Eine Entschuldigung, nämlich dass man sich entschuldigen kann für etwas, was ver­fassungswidrig ist, obwohl das sehr oft passiert, kommt hier offensichtlich niemandem in den Sinn.

Ich kann mich noch genau an den Fall erinnern: Wir sind hier gestanden, wir haben diskutiert, wir haben im Ausschuss diskutiert – alle verfassungsrechtlichen Bedenken sind weggewischt worden, die haben niemanden interessiert. Die Experten haben sämtliche Dinge, die der Verfassungsgerichtshof hier in seinem Verfahren positiv als Grundrechtseingriff bezeichnet hat, weggewischt, ignoriert. Ich kann mich erinnern, da war eine Stimmung: Das ist uninteressant! Das passt, das brauchen wir!

Ich kann mich noch erinnern, die ehemalige Innenministerin Fekter – sie könnte übri­gens herauskommen und sich entschuldigen, sie hat das mitzuverantworten, Sie, Herr Minister, haben das geerbt; das wäre einmal eine neue Qualität –, ich kann mich also noch erinnern, sie hat sich hingestellt und hat gesagt: Das brauchen wir wegen der


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite