Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Parlament, das Haus des Volkes, ist das Zentrum unserer parlamentarischen Demokratie, einer historischen Errungenschaft, die keine Selbstverständlichkeit ist, sondern die wir hart erkämpfen mussten.
Es wurde schon erwähnt: Ich durfte dieses Haus in den vielen Jahren aus den verschiedensten Perspektiven erleben, und ich habe dabei eine Vielzahl von Menschen kennengelernt, die aus unterschiedlichen Bereichen unserer Gesellschaft, aus allen politischen Parteien gekommen sind. Sie haben ihr Leben aus Überzeugung und Idealismus in den Dienst der Gesellschaft gestellt, um einen Beitrag dazu zu leisten, die Lebensbedingungen für die Menschen in unserem Land zu verbessern. Und daher weiß ich eines sehr genau: Bedeutung und Leistung des österreichischen Nationalrates sind weit höher, als es sein Ansehen mitunter ist.
Ich habe gleichfalls gelernt, dass Politikerinnen und Politiker eben auch nur Menschen sind. Wir sind keine Helden und auch keine Heiligen, aber – und das müssen wir uns immer bewusst machen – wir werden sehr genau beobachtet, wir sind unweigerlich Vorbilder im Guten wie im Schlechten. Der Maßstab, an dem wir und unsere Arbeit gemessen werden, ist zu Recht ein strenger. Den Respekt, den wir uns wünschen, müssen wir uns auch hart erarbeiten. Wir müssen vorleben, was Demokratie ist, nämlich die leidenschaftliche Auseinandersetzung mit konkurrierenden Interessen und Überzeugungen, Zielen, Ansprüchen, aber eben auch die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Kompromiss.
Dass Politik bei manchen Menschen nicht mehr die Wertschätzung erfährt, die sie in den meisten Fällen verdient und auch braucht, liegt vielleicht auch daran, dass der Kompromiss heute oft als Schwäche ausgelegt wird. Ich halte das für eine gefährliche Entwicklung, denn wer Politik nur an der hundertprozentigen Durchsetzung der Interessen des Einzelnen misst, der gefährdet das Ganze und verkennt auch das Wesen der Demokratie. Demokratie – die einzige Staatsform, für die es sich lohnt, zu kämpfen – lebt auch vom Kompromiss, und daher, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, lassen Sie uns energisch und leidenschaftlich diskutieren, lassen wir uns auch auf den Wettstreit der Ideen ein, aber lassen Sie uns in diesem Haus einen Umgang miteinander pflegen, der Kompromisse ermöglicht. Fairness, Toleranz, Respekt und auch die Fähigkeit, einander zuzuhören, werden uns dabei helfen.
Meine sehr geehrten Herren Präsidenten! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass es gelungen ist, die Notwendigkeit der Sanierung des Parlamentsgebäudes über alle Parteigrenzen hinweg einstimmig außer Streit zu stellen. Damit ist auch eine ganz wichtige Voraussetzung gegeben, um diese anspruchsvollen und dringend notwendigen Vorhaben professionell und zügig umzusetzen. Es wäre schön, wenn es uns gelingen könnte, auch die weiteren Entscheidungen, die noch für dieses große Projekt anstehen, in gleicher Geschlossenheit zu treffen.
Auch die angesprochene Reform der Untersuchungsausschüsse ist zweifelsohne sehr bedeutend für die Arbeit dieses Hauses. Sie stellt eine sehr wichtige Weiterentwicklung unserer demokratischen Spielregeln dar, und ich bin davon überzeugt, dass es uns gemeinsam gelingen kann, diesem Instrument der parlamentarischen Kontrolle eine neue Qualität zu geben.
Es wurde erwähnt – ich möchte es aber auch deutlich sagen –: dass ich als Vorsitzende künftiger Untersuchungsausschüsse eine ganz besondere Verantwortung trage, ist mir bewusst, und Sie können darauf vertrauen, dass das Präsidium des Nationalrates gemeinsam auch diese neue Aufgabe verantwortungsbewusst ausüben wird.
Eine Selbstverständlichkeit ist für mich die Fortführung der so erfolgreichen „Demokratiewerkstatt“. Bereits in jungen Köpfen das Wesen und den hohen Wert der Demokratie zu verankern, ist ein ganz wichtiger Beitrag im gemeinsamen Kampf gegen Faschismus, gegen Rassismus und gegen Antisemitismus. (Allgemeiner Beifall.)
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