Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll39. Sitzung / Seite 107

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den Patienten umgehen wollen. Das ist sehr wichtig. Der Zweite, dem ich danken möchte, ist der ehemalige Hauptverbandschef Schelling, der sich in sensationell kurzer Zeit in dieses schwierige Gesundheitssystem eingearbeitet hat und der jetzt natürlich auch die unangenehme Seite des Gesundheitswesens mitbetrachten muss, denn ir­gendjemand muss das Ganze zahlen, das wir uns hier so schön wünschen. In diesem Sinne waren die letzten fünf Jahre nicht vergebliche Jahre, sondern es waren gute Jahre.

Ich möchte sagen, ein Gesundheitsminister hat wirklich einen schwierigen Job. Meiner Meinung nach ist diese Aufgabe schwieriger als jede Pensionsreform, weil so viele Rahmenbedingungen zu beachten sind. Die Frau Gesundheitsministerin wird eher ei­nem Sisyphus gleichen als etwas anderem. Es sind vier Hauptteile zu betrachten.

Erstens – Frau Ministerin Oberhauser hat es schon gesagt –: Solidarität zwischen Ge­sunden und Kranken, Alt und Jung, Reich und Arm. Das ist nicht so einfach. Amerika ist schon erwähnt worden, aber auch in Österreich fragen genügend junge Leute: Wo­zu brauchen wir das alles? Kaum aber passiert etwas, heißt es: Bitte, holt die Oma ab! Holt mich mit dem Hubschrauber! Wer kann ein Bett in Wien besorgen? Wo ist der beste Arzt? Gott sei Dank sind wir länger gesund, aber es kann jeden sofort erwischen, und leider oft zu früh.

Zweitens: Man kann als Politiker nicht an den Bürgerwünschen vorbei, und der Wunsch der Bürger ist es, lang zu leben und gut zu leben. Seit Neuestem höre ich auch, es ist schön, alt zu werden.

Drittens: Können wir uns das Ganze leisten? Wir sind wahrscheinlich das drittreichste Land in der EU, wenn ich die Statistiken richtig gelesen habe. Das Gesundheitswesen liegt so etwa bei Platz 6 bis 8. In der Performance – das ist sehr schwierig zu messen – liegen wir, glaube ich, unter den besten fünf Systemen der Welt.

Viertens: Es handelt sich um einen enormen Wachstumsfaktor. Die Leute werden im­mer älter, die Medizin leistungsfähiger, die Juristen verlangen immer mehr Absiche­rung. Roland Berger hat gesagt, man soll das Gesundheitswesen nicht immer als Bei­tragsdebatte betrachten, sondern es birgt auch eine enorme Chance. 80 Prozent der Beschäftigten sind Frauen. Und, wie Frau Ministerin Oberhauser schon richtig gesagt hat, auch der Faktor Zeit wird immer wichtiger. Der Euro muss beim Patienten ankom­men, würde ich jetzt als Nicht-Wirtschafter wirtschaftlich sagen. Es hat keinen Sinn, wenn wir viel Geld vereiern mit nutzlosen Leitlinien, Dokumentationen oder sonst et­was, wenn Schwestern heute 50 Prozent ihrer Zeit nur herumdokumentieren und sie keine Zeit mehr haben, zehn Minuten mit einem Patienten zu reden oder ihm die Hand zu halten, ohne schief angesehen zu werden, dann ist etwas falsch im System. Das gehört geändert, und dafür werde ich der Frau Ministerin gerne die Hand reichen. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ.)

Als einer, der seit 30 Jahren vor Ort in Meidling Patienten betreuen darf und sich dabei sehr glücklich fühlt, weiß ich, wo die Schwächen und Stärken im System sind. Wir sind in Österreich zu spitalslastig. Wir nehmen Platz eins oder zwei hinter den Japanern bei den Weltmeistern im Spitalsliegen ein. Das könnten wir einmal abbauen.

Wir könnten mehr für die Hausärzte tun, die uns leider davonlaufen oder was gar nie­mand mehr werden will. Die jungen Ärzte wollen gar nicht mehr im Land bleiben. Ein Drittel der jungen Kollegen wendet Österreich den Rücken zu. Ich glaube, das wäre schon eine tiefergehende Analyse wert, warum jemand sein Heimatland verlässt und nach einer 250 000 € teuren Ausbildung nach Deutschland, in die Schweiz, nach Eng­land geht. Ich glaube, da ist wirklich Handlungsbedarf gegeben. Neue Unis nützen da nur mäßig, wir müssen schon hinterfragen: Was geht da ab? Warum wollen die jungen Leute nicht im Land bleiben? (Abg. Karlsböck: Wir sind die Opposition!) – Das muss man auch sagen.

 


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