Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll44. Sitzung / Seite 39

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Die Forderung nach einem „Solidardienst“, der in Wirklichkeit nichts anderes als Zwangs­arbeit ist, ist ungeheuerlich. Da muss ich auch Herrn Kollegen Pendl recht geben: Wir müssen diese Debatte wirklich sachlich führen und auch einen Fokus auf das Wording und auf einzelne Worte und deren Verwendung legen.

Der FPÖ kann man ja wirklich nicht vorwerfen, dass sie nicht bewusst mit Worten um­geht. Klubobmann Strache definiert in der aktuellen Ausgabe des Monatsmagazins „DATUM“ den Islamismus als Missbrauch einer Religion dadurch, dass es nicht mehr die Trennung zwischen Religion und Staat gibt, sondern ein Verschwimmen zwischen Religion, Politik, Recht und Gesellschaftssystem stattfindet. Im selben Interview sagen Sie dann: Wir hatten immer eine sehr klare andere Position, wir haben in unserem Pro­gramm das wehrhafte Christentum verankert. – Zitatende.

Bei der FPÖ steckt der Nipster nicht im Detail, bei der FPÖ ist der Nipster Programm. (Heiterkeit der Abg. Korun.) Manchmal klingt das Gesagte oberflächlich vernünftig. (Abg. Kickl: Dass Ihnen das Christentum nicht gefällt, das wissen wir! Das ist be­kannt!) Sie verkleiden sich als Kämpfer für Aufklärung und Laizität, und zwei Sätze später landen Sie bei dem typischen differenzialistischen Weltbild, das die soziale Hei­matpartei gerne bemüht.

„Wehrhaftes Christentum“ heißt ja nichts anderes als: Die autochthone Bevölkerung, wie Sie es immer nennen, die autochthone christliche Bevölkerung muss sich gegen die Zuwanderer aus dem Osten wehren. (Abg. Strache: Das wehrhafte Nudelsieb!)

Und dazu passt auch das neue Wording der FPÖ, das auch im Titel dieser Veranstal­tung, Ihrer Veranstaltung, eingewebt ist, nämlich die „Islamisierung“. Sie vollziehen den Schwenk von der Religion hin zu den Personen, die angeblich unsere Kultur unterwan­dern, nämlich auch jene, die hier leben. Empirisch lässt sich das übrigens überhaupt nicht belegen. Es gibt keine genauen Zahlen, wie viele Muslime überhaupt in Öster­reich leben. Da werden noch immer Werte aus der letzten Volkszählung von 2001 als Basis herangezogen und mit der Zuwanderung aus mehrheitlich islamischen Ländern hochgerechnet.

Es dürften zirka 600 000 Muslime in unserem Land sein. Davon wiederum sind gerade einmal 10 bis 20 Prozent überhaupt in Religionsgesellschaften und Vereinen registriert und organisiert. (Abg. Kickl: Sie brauchen nur einmal mit offenen Augen durch das Land gehen!) Die anderen sind eher das Äquivalent zu den Taufscheinkatholiken – vielleicht formal Muslime, aber nicht besonders religiös. Wir reden im Kern also von 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung, die Ihrer Ansicht nach, der Ansicht der FPÖ nach, Österreich religiös unterwandern. Hier von Islamisierung zu sprechen, ist genau der Missbrauch von Religion, den die FPÖ mit ihrem „wehrhaften Christentum“ selbst be­treibt. Das ist keine kritische Auseinandersetzung mit Religion, sondern eine Instru­mentalisierung von Religion gegen eine Bevölkerungsgruppe. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

Persönlich fände ich eine Debatte über die Rolle von Religion im Verhältnis zu Staat und Politik natürlich begrüßenswert. Wogegen ich mich aber wehre ist, dass diese De­batte auf Menschen übertragen wird. Und daran ist nicht nur die FPÖ beteiligt. Daran sind auch die Regierungsparteien, daran ist auch die Regierung beteiligt. Das neue Is­lamgesetz geht ausgerechnet jetzt in Begutachtung, wo der „Islamische Staat“ die Berichterstattung dominiert. Da wird ein Gesetzentwurf auch zur politischen Kommu­nikation gegen Muslime instrumentalisiert. Die Problemstellungen, die der politische Islam aufwirft, werden in diesem Entwurf gegen die Religionsfreiheit mit undemokra­tischen und verfassungsrechtlich bedenklichen Bestimmungen adressiert. Islamische Religionsgemeinschaften werden im Entwurf mehrfach zur Einhaltung der Gesetze angehalten. Das kann als unhöfliche Signalwirkung gelesen werden. Die Muslime wer-


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