Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll46. Sitzung / Seite 124

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halten: Lassen wir die Lohnpolitik dort, wo sie die letzten 60 Jahre gut aufgehoben war! Lassen wir sie dort! Wir haben 95 Prozent der österreichischen Arbeitsverhältnisse mit Kollektivverträgen versehen. In der Bundesrepublik Deutschland sind es nur mehr 45 Prozent. Dass in so einem Land natürlich die Frage eines gesetzlichen Mindest­lohns anders diskutiert wird als in einem Land, wo 95 Prozent der Kollektivverträge alles regeln, ist keine Frage. Dass man sich permanent bemüht, Kollektivverträge von der Mindestentlohnung her anzupassen, das ist ganz klar. Es ist auch ganz klar, dass dieser Prozess nicht heute aufhört, nicht morgen aufhört, sondern weitergehen wird. Das ist auch sehr nachvollziehbar.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, so sagen Sie doch endlich einmal den Österreicherinnen und Österreichern, was Sie als angebliche „Heimatschutzpartei“ wirklich wollen! Sagen Sie es doch! Sie wissen doch ganz genau, dass nach dem ge­samten Vertragsrecht der Europäischen Union eine sektorale Arbeitsmarktschließung nicht möglich ist. Das wissen Sie ganz genau.

Wir haben als eines der wenigen Länder sämtliche Übergangsfristen tutto completo ausgedehnt. Wir haben als einziges Land Europas ein Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, welches Sie im November mit Ihren Stimmen weiter verschärfen dürfen. Wir tun es auch ohne Ihre Stimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ist zwischenzeitlich ein Export­artikel geworden. Wir haben als einziges Land Europas die Anmeldebescheinigung auch für EU-Bürger aufrechterhalten. Und wir weisen auch EU-Bürger aus, wenn sie die Kriterien der Anmeldebescheinigung nicht erfüllen – voriges Jahr 110 Personen.

All das findet statt, aber all das findet im Rahmen dessen statt, was europäisches und natürlich auch österreichisches Recht heißt.

So sagen Sie doch den 264 000 Österreicherinnen und Österreichern, die in der Bundesrepublik Deutschland leben und arbeiten, es ist vorbei! Sie werden doch nicht glauben, dass eine sektorale Arbeitsmarktschließung ohne Antwort bleibt? Sie werden doch nicht so naiv sein und glauben, dass die Leute das irgendwann nicht doch durchschauen! – Das ist nur eine kurze Antwort.

In Österreich leben und arbeiten übrigens 164 000 Menschen aus der Bundesrepublik Deutschland, aber 264 000 Österreicher leben und arbeiten in der Bundesrepublik Deutschland. Das kann man jetzt für fast jedes Land durchgehen.

Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, sich heute hier als „Gerech­tigkeitspartei“ präsentieren – so eine Presseaussendung Ihres Parteidienstes –, entgegne ich: Diese Gerechtigkeitspartei soll bitte auch den Österreicherinnen und Österreichern sagen, wo die jährlichen Mehrkosten von 10 Milliarden € herkommen. 10 Milliarden € ist die Summe dessen, was Sie hier fordern. 1 Milliarde € kommt noch dazu, die die österreichische Wirtschaft über Nacht hinlegen muss.

Natürlich klingt das toll: 1 600 € Mindestlohn. Natürlich unterschreibt das jeder von uns, ist ja kein Problem, aber gleichzeitig müssen Sie der österreichischen Wirtschaft, die Sie angeblich vertreten – Sie vertreten ja angeblich Kleingewerbetreibende, Sie ver­treten ja angeblich kleine Landwirte, die Mitarbeiter beschäftigen, Sie vertreten angeb­lich kleine Gastwirte, das ist angeblich Ihre Klientel –, auch erklären, wie sie über Nacht 1 Milliarde € auf den Tisch legen sollen. So sagen Sie doch den Menschen die Wahrheit! So streuen Sie doch nicht den Pensionisten Sand ins Getriebe! 1 200 € Min­destpension. – Na super! Wer zahlt die 9 Milliarden pro Jahr? Pro Jahr, nicht auf zehn Jahre! Das sind die jährlichen Mehrkosten.

 


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