Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung / Seite 48

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10.55.31

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Nachbaur, Sie sind hier herausgekommen und haben ge­sagt, Sie wollen mehr Markt, weniger Staat. – Jetzt haben wir eine unabhängige EZB, und die macht etwas, was Sie für falsch halten, und das Erste, wonach Sie rufen, ist quasi staatliche Intervention.

Sie kommen hier heraus und sagen, die im Süden hätten im Winter kein Holz ge­braucht und deswegen nicht gelernt zu sparen (Abg. Nachbaur: Ich habe gesagt, der Sarrazin sagt das!), hingegen würden es die im Norden tun. Jetzt habe ich mir die zu­letzt verfügbaren Sparquoten von Eurostat angesehen, was im Internet sehr schnell geht: Portugal: Sparquote 12 Prozent; Österreich: 12,6; Niederlande: 10,7; Italien: 11,6; Frankreich: 15,2; Spanien: 10,4. Erklären Sie mir, wo aufgrund der Sparquoten die Li­nie zwischen Süd- und Nordeuropa verläuft? – Das, was Sie sagen, hat nichts mit der Realität zu tun! (Abg. Nachbaur: Es ist unbestritten, dass die südlichen Länder Infla­tion brauchen und wir nicht!)

Wenn Sie es anschauen, stellen Sie fest: Es gibt einen Unterschied zwischen Ost und West. In Osteuropa sind die Sparquoten deutlich geringer und deutlich fluktuierender als in Westeuropa (Zwischenruf des Abg. Stefan), wo sie relativ stabil sind. Zwischen Nord- und Südeuropa werden Sie kaum Unterschiede bei der Sparquote bemerken, zumindest dann, wenn Sie sich die Mühe machen, nicht nur irgendetwas zu behaup­ten, sondern das auch wirklich mit der Realität zu vergleichen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Nachbaur: Das Argument ist ein anderes: Der Süden braucht Inflation und wir nicht!)

Ich würde Sie ersuchen, etwas evidenzbasiert zu sprechen und Politik ein bisschen mit der Realität in Einklang zu bringen.

Was sind die Wirtschaftsthemen in der Europäischen Union? – Natürlich ist eines der größten Themen die Frage: Wie kommen wir zurück zu Wachstum? – Wir wissen, wenn alle sparen – wenn die privaten Haushalte sparen, die Industrie nicht investiert und die öffentlichen Haushalte sparen –, dann kann es nirgendwo Wachstum geben. Entscheidend ist es aber, Wachstum zu generieren.

Es gibt viele Länder in der Europäischen Union, die am Plafond sind, die vom öffentli­chen Haushalt her gar keine andere Möglichkeit haben, als zu konsolidieren. Es wäre verrückt zu verlangen, dass ein Land, das sich teilweise gar nicht über Finanzmärkte fi­nanzieren konnte und deswegen den ESM gebraucht hat, jetzt noch seine Verschul­dung in die Höhe fahren soll. Das wäre doch absurd.

Es ist auch so, dass Österreich gar nicht in diese Situation kommen möchte, dass es sich nicht verschulden kann, das heißt, die Spielräume sind hier sehr eng. Es gibt Spielräume, die sollten wir auch nützen. Ich glaube, dass wir sie auch nützen, indem wir nicht nur sparen, sondern vonseiten der öffentlichen Hand auch investieren. Und bei der Konsolidierung muss vor allem darauf geachtet werden, dass trotzdem auch in­vestiert wird, denn wenn alle nur sparen, werden am Ende des Tages alle immer tiefer in diese Krise geraten. Man muss investieren, um aus der Krise herauszukommen.

Es ist ja nicht so, dass wir das erste Mal eine Krise haben, dass es in der Vergangen­heit so etwas noch nicht gegeben hätte. Viele, so glaubt man, hätten aus Krisen ge­lernt – zum Beispiel aus der Krise der dreißiger Jahre – und erkannt, dass der Grund­satz: Ist doch egal, wenn eine Bank pleitegeht, das betrifft uns alle nicht!, nicht der rich­tige Weg ist. Der Wirtschaftseinbruch in den dreißiger Jahren war wesentlich größer, wesentlich schärfer, wesentlich nachhaltiger als die wirtschaftliche Situation, die wir heute haben. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Das heißt, systemrelevante Banken zu stützen – die Eigentümer verlieren ihr Geld zu 100 Prozent; die Eigentümer haben immer ihr Geld verloren – ist sicher das Bessere,


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