Schließlich entspricht es der gängigen Praxis vor österreichischen Staatsanwaltschaften und Gerichten, dass den Aussagen von PolizeibeamtInnen erhöhte Beweiskraft zugemessen wird, zumal wenn diese übereinstimmen - was aus den obigen Gründen häufig der Fall ist. Es handelt sich zwar um keinen Automatismus, und schon gar nicht um eine gesetzliche Vorgabe. Dennoch ist dieser Umstand jedem, der mit Strafprozessen in Österreich zu tun hat, bekannt.
Darüber hinaus besteht in Österreich keine wirklich unabhängige Stelle zur Ermittlung in Fällen vorgeworfener Polizeigewalt. Dies obwohl das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe des Europarats dazu Österreich in seinem Bericht 2009 empfahl:
Das CPT möchte betonen, dass zur wirksamen Ermittlung über Vorwürfe polizeilicher Misshandlung das entsprechende Verfahren aus der Sicht aller unabhängig und unparteiisch ablaufen muss. Daher sollten die entsprechenden Ermittlungen einer Stelle anvertraut werden, die völlig unabhängig von der Polizei agiert.
Um diesen Beweisproblemen zu begegnen, wurden seitens des BMJ und des BMI spezielle Anti-Folter-Erlässe herausgegeben. So sieht etwa der Erlass des BMJ vor, dass bei schwierigen Beweislagen - und diese bestehen in solchen Fällen aufgrund der widersprechenden Aussagen eigentlich immer - der zuständige Staatsanwalt sich persönlich an den Einvernahmen beteiligen sollte. Das wäre insofern besonders wichtig, als dadurch die Einschätzung der Glaubwürdigkeit der erhobenen Vorwürfe viel eher möglich ist, als nur bei Kenntnis der verschriftlichten Polizeischilderung und eines Vernehmungsprotokolls, das möglicherweise noch im Arrest unmittelbar nach der Gewaltanwendung von der Polizei verfasst worden ist. Weiters wären umgehend medizinische Sachverständigengutachten über erlittene Verletzungen einzuholen, und die Erhebung von Verleumdungsvorwürfen gegen Betroffene sollte erst nach vollständiger Aufklärung der Vorfälle in Betracht gezogen werden, wobei insbesondere auch Restzweifel an den Aussagen der PolizeibeamtInnen zu berücksichtigen wären.
Wie sich an den oben geschilderten Fällen gezeigt hat, werden diese Vorgaben aber leider oft nicht oder nicht vollständig eingehalten. Das hat etwa im „Tankstellen-Fall“ der zuständige Sektionschef des BMJ und die Leiterin der zuständigen Staatsanwaltschaft auch zugestanden und bedauert.
Ein derartiges Fehlereingeständnis samt ernsthafter Ansätze zur Verbesserung hat Ihr Ressort bisher leider vermissen lassen.
Korpsgeist
Im Regelfall werden BeamtInnen, die selbst nicht an Missständen beteiligt sind, zu Zeugen derselben. In seltenen Fällen machen diese BeamtInnen ihre vorgesetzte Dienstelle bzw. das BMI auf diesen Missstand aufmerksam.
Die Folge ist meist dieselbe: Die Hinweisgeber werden bestraft, diejenigen, die für den Missstand verantwortlich sind, bleiben unbehelligt.
Genau das ist vor kurzem im Fall „Peilsender“ in der Steiermark geschehen.
Der Standard berichtet über den Fall von fünf Beamten, die sich an das BAK wandten:
„Das Anbringen von Peilsendern an Autos von Verdächtigen soll manchmal ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft erfolgt sein. Daten von Observationen sollen länger gespeichert werden, als das erlaubt ist. Die Mitwirkung eines Privatdetektivs an polizeilichen Ermittlungen, als sei dieser selbst Teil der Polizei, soll schon fast „normal“
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