Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll66. Sitzung / Seite 136

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Ich unterhalte mich immer wieder mit Polizisten, und wenn man auf diesen sensiblen Bereich von Fehlentwicklungen innerhalb der Polizei kommt, dann sagen die alle das Gleiche: Das gefällt uns nicht, aber wir haben einen enormen Druck, dass wir uns nicht dazu äußern! Ich würde in der Mannschaft nicht überleben, und ich löse das für mich so, dass ich im Zweifelsfall sage, ich habe nichts gesehen! Aber eine Aussage gegen einen Kollegen oder eine Kollegin kann ich mir praktisch nicht leisten! (Abg. Deimek: ... und das ist eine Schande! Skandalisierungspolitik!)

Es gibt ja auch ein Beispiel, das durch die Medien gegangen ist. Das ist heute gar nicht angeschnitten worden, weil es gar nicht primär um Polizeigewalt geht, sondern es geht um Befugnisüberschreitung. Das ist dieser Fall in Graz. Da hat offensichtlich ein Teil der Polizei rechtswidrig ermittelt. Es wurden Peilsender an Autos angebracht, ohne dass die Staatsanwaltschaft das genehmigt hat, und es wurden Observationen länger gespeichert als gesetzlich vorgesehen.

Wir brauchen gar nicht zu diskutieren. Egal welche Art von Delikt hier hätte aufgeklärt werden sollen, es haben sich alle an die Gesetze zu halten. Punkt! (Abg. Walter Rosenkranz: Es ist nicht alles belegt, was ein Journalist schreibt!) Es kann keine Diskussion darüber geben!

Aber was ist passiert? – In diesem Fall haben einige PolizistInnen diese Missstände bei ihren Vorgesetzten gemeldet – couragiert. Was ist passiert? – Diejenigen, die Mel­dung erstattet haben – klassisches Muster –, sind versetzt worden, und derjenige, der beschuldigt war, ist befördert worden. – Das ist der Umgang, der dann genau zu jenem Korpsgeist führt, dass über alles der Mantel des Schweigens gebreitet wird!

Frau Ministerin, da ist Ihre Aufgabe: Zero Tolerance für diesen falsch verstandenen Korpsgeist sowie eine ganz klare Haltung, dass es hier keine Akzeptanz gibt, wenn es Fehlentwicklungen gibt, und dass alle im Polizeiapparat daran mitarbeiten müssen, dass die Aufgabe nach Punkt und Beistrich erfüllt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt: Nicht pauschal, aber man kann immer wieder beobachten, dass dann, wenn Amtshandlungen aus dem Ruder laufen, der Spieß umgedreht wird. Da kommt dann plötzlich der Widerstand gegen die Staatsgewalt ins Spiel, wenn es zu Vorwürfen gegen PolizeibeamtInnen kommt. Das ist immer das gleiche Schema: Jemand äußert ein Fehlverhalten, jemand erhebt einen Vorwurf, und es kommt postwendend die Anzeige: Widerstand gegen die Staatsgewalt. (Abg. Rädler: Als Demonstrant weiß man das!)

Alle Fälle, die in den Medien debattiert wurden, sind nach dem gleichen Schema abge­laufen. Immer hat es einen Vorwurf gegeben, dass die Polizei ein Fehlverhalten an den Tag gelegt hat, immer ist wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt angezeigt wor­den. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Wahrscheinlich wird es so gewesen sein!)

Klar ist: Nicht jede Verletzung einer Person, die von der Polizei „amtsbehandelt“ wird, ist ein Fehlverhalten der Polizei. Es ist aber genauso lebensfremd, dass auffälliger­weise jedes Mal, wenn ein Vorwurf auf ein Fehlverhalten der Polizei erhoben wird, dem ein Widerstand gegen die Staatsgewalt vorausgegangen ist.

Frau Innenministerin, diese Praxis funktioniert auch, weil die Staatsanwaltschaft zumin­dest teilweise bei dieser Vorgangsweise mitgespielt hat. All diese Verfahren haben eine Gemeinsamkeit: Die betroffenen Opfer der Polizeihandlungen wurden angeklagt wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, und sämtliche Vorwürfe gegenüber der Polizei sind im Sand verlaufen.

Die Staatsanwaltschaft muss sich in diesem Punkt viel eindeutiger als Korrektiv und als Einheit, die einer anderen Staatsgewalt angehört und auch eine gewisse Distanz auf­weist, positionieren, denn es ist für unseren Rechtsstaat wichtig, dass dann, wenn es


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