Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung, 20. Mai 2015 / Seite 74

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

Wenn ich nicht davon ausgehe, dass die Europäische Union und der europäische Gedanke eine Religion sind und dass ich hier nach den Vorschriften eines Katechis­mus vorgehen muss, der die Existenz und das Wachstum der Europäischen Union als obersten Glaubenssatz sieht – wie das vielleicht Othmar Karas tut, wenn ich mir seine Interviews und in seinem Blog nachlese –, sondern mit der Ratio eines aufgeklärten mitteleuropäischen Parlaments – als solches sehe ich das unsere – an die Sache herangehe, dann müsste die Frage lauten: Wickeln wir das, was fehlgelaufen ist, rück ab? (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen wir, was in der Europäischen Union Sinn macht, was uns einen gewaltigen Schaden zugefügt hat, was dazu geführt hat, dass in mittlerweile vier Staaten der Europäischen Union die Jugendarbeitslosigkeit permanent bei 30 Prozent und die Gesamtarbeitslosigkeit im Bereich von 20 Prozent und mehr liegt, dass Hundert­tausende ihre Länder verlassen. Allein Portugal hat derzeit pro Jahr eine Auswan­derung von etwa 115 000 Staatsbürgern, und trotzdem bleibt eine Arbeitslosigkeit von 20 Prozent plus. In Griechenland ist die Situation ganz ähnlich. (Abg. Strolz: Ja!)

Da muss ich doch einmal so ehrlich und auch so mutig sein – um das schöne Strolz’sche Wort zu verwenden –, zu sagen: Wir befinden uns in einer falschen Entwicklung und wir müssen die Europäische Union teilrückabwickeln. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt sinnvolle Dinge wie einen Zollverein, das macht auf europäischer Ebene Sinn. Der Zollverein macht Sinn, ausgenommen für die Landwirtschaft, da bin ich nicht ganz so sicher, ob das Sinn macht. Es gibt sinnvolle Dinge wie ein Teil-Schengen, nämlich für kerneuropäische Staaten, die im Wesentlichen konvergent sind, um das schöne Wort zu verwenden. Diese könnten eine Schengen-Union sinnvoll verwirklichen, sie könnten auch eine Sozialunion verwirklichen. Aber die Europäische Union in der heutigen Größe, vor allem mit den Mitgliedern, die wir ab 2004 aufgenommen haben, kann das nicht.

Daher die Forderung im Strolz’schen Sinne, welcher dankenswerterweise diese De­batte initiiert und möglich gemacht hat: Seien wir mutig! Sehen wir den Tatsachen ins Auge! Weichen wir von religiösen oder pseudoreligiösen Argumentationen ab! Erken­nen wir, dass wir nicht in einem Katechismus, sondern in einer vernunftmäßigen De­batte stehen, und beenden wir die Transfer- und Bail-out-Union! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

11.10


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort. – Bitte.

 


11.10.54

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte eingangs mit der behaupteten Tradition des Einbringers dieser Aktuellen Stunde beginnen und Sie ausdrücklich loben, und zwar nicht nur Kollegen Klubobmann Strolz, sondern vor allem auch den Herrn Bundesminister für Finanzen wegen seiner gleichermaßen fundierten wie differenzierten Stellungnahme zu diesem Thema, auch wenn wir jetzt de facto sozusagen ein inhaltliches und durchaus sachpolitisches Schaulaufen hier veranstalten, weil alle wissen, dass wir das morgen so nicht haben werden, was auch immer der Vorschlag sein wird. Interessant ist deshalb die empi­rische Betrachtung, was man sich in dem Fall schon vor 140 Jahren gedacht hat, allenfalls vielleicht die letzten zehn Jahre. Dazu möchten auch wir einen Beitrag leisten.

 


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite