Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung, 20. Mai 2015 / Seite 84

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11.45.00

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Kollege Kassegger, selbstverständlich sind in jedem Jahr der schwarz-blauen Regierung zwischen den Jahren 2000 und 2007 Schulden aufgenommen worden. Die Schuldenquote ist gesunken, aber die Schulden sind jedenfalls aufgenommen worden.

Aber nun zum eigentlichen Thema. Natürlich brauchen wir in der Europäischen Union Regeln, und es gibt viele davon. Viele davon sind im Anschluss an die Finanzkrise entstanden, Bankenunion im Finanzbereich, halbherzig, nicht zu Ende gedacht in der Frage der Einlagensicherung, keine gemeinsame Einlagensicherung, insbesondere – und dem möchte ich mich jetzt widmen – Regeln im budgetpolitischen Bereich. Six­pack, Twopack, Fiskalpakt und dergleichen mehr – Sie, Herr Minister, haben es ja erwähnt. Und Sie haben in diesem Zusammenhang richtigerweise auch das wichtige Thema Stabilität der Finanzen angesprochen. Aber gerade im Hinblick auf diese Regeln würde ich mir schon eine akademische Debatte wünschen: Sind das auch die richtigen Regeln, die wir auf europäischer Ebene beschlossen haben, oder nicht?

Machen wir die empirische Probe. Was die Stabilität der Staatsfinanzen anlangt, können wir feststellen, dass trotz Fiskalpakt, trotz Stabilitäts- und Wachstumspakt in den meisten Staaten der Europäischen Union die Schuldenquote gestiegen, nicht gesunken ist. Wir müssen auch feststellen, dass die Wachstumsaussichten in den europäischen Staaten schlecht sind. Wir haben Rekordarbeitslosigkeit.

Werfen wir einen Blick auf die andere Seite des Teichs, in die USA, so können wir feststellen, dass das BIP wieder das Niveau von vor der Krise überschritten hat – in Europa ist es genau umgekehrt –, und die Arbeitslosenquote ist niedriger als vor der Krise – in Europa ist es genau umgekehrt. Daher muss man die Frage stellen, auch im Zusammenhang mit Griechenland, ob diese Austeritätspolitik, diese neoklassisch fun­dierte Austeritätspolitik, die adäquate Politik ist oder nicht, ob es nicht gescheiter wäre, doch eine keynesianische Politik zu betreiben, um aus diesem Dilemma heraus­zukommen.

Ich sage es nicht zum ersten Mal: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Politik der Austerität der falsche Weg ist. Das ist der Holzweg in Europa! Wir brauchen in Europa eine innovative, eine nachhaltige Politik, die die Lebenslagen viel stärker ins Zentrum rückt.

Herr Strolz, Sie haben hier gesagt, die Europäische Union habe Wohlstand für breite Massen in Europa gebracht, dazu muss ich sagen: leider nein! Und mit dafür verant­wortlich ist eben genau diese Austeritätspolitik, die eben nicht den Menschen, sondern die Märkte in den Mittelpunkt der Politik rückt und die Wettbewerbsfähigkeit zum Fetisch erhebt. Das ist das Problem, das wir in Europa haben.

Nun zu Griechenland. Ist es denn wirklich so schwer, zu begreifen, dass sich die griechische Bevölkerung mehrheitlich für einen Machtwechsel ausgesprochen hat, nachdem die Hilfsprogramme zu einer humanitären Katastrophe, zu einem humani­tären Desaster im sozialpolitischen Bereich geführt haben?! Die Programme dienten doch in erster Linie der Sanierung von Banken in Frankreich und in Deutschland, und sie haben nie so funktioniert, wie es sich die Geldgeber in der Eurozone vorgestellt haben.

Wenn nun die laufenden Verhandlungen mit Griechenland zu scheitern drohen, dann hat das sehr viel damit zu tun, dass die Hilfsprogramme schlicht und einfach fortgesetzt werden sollen. – Das ist gegen jede ökonomische Vernunft. Die Fortsetzung dieser Hilfsprogramme wird das Desaster in Europa noch vertiefen!

 


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