Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung, 20. Mai 2015 / Seite 85

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Noch eine Gefahr ist damit verbunden: Die Fortsetzung dieser Programme wird in den anderen von der Krise betroffenen Staaten dem radikalen antieuropäischen Kurs auf der rechten Seite des Spektrums enormen Auftrieb geben.

Daher glaube ich, wir brauchen mehr Solidarität für Griechenland, wir brauchen eine Perspektive für Griechenland. Das heißt, wir müssen Griechenland jene Mittel geben, die es braucht, um das humanitäre Desaster zu beseitigen, aber wir müssen auch eine Investitionsoffensive eröffnen, nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa.

Natürlich muss Griechenland einige Aufgaben erledigen; das steht außer Frage. Es muss seine Verwaltung modernisieren, es braucht effiziente und effektive Steuer­be­hörden, es muss die Vermögenden besteuern, es muss die Korruption bekämpfen, es muss seinen überdimensionierten militärischen Sektor reduzieren.

Aber auch die europäischen Staaten in Mitteleuropa müssen ihre Hausaufgaben machen, jene Länder, die Leistungsbilanz-Überschüsse haben, denn diese Länder, wie die Niederlande, Deutschland, Österreich, leben unter ihren Verhältnissen. Und solan­ge diese Länder unter ihren Verhältnissen leben, wird es schwierig werden, Griechen­land und anderen Staaten in Südeuropa langfristig ökonomische Perspektiven zu geben. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

11.50


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ing. Lugar zu Wort. – Bitte.

 


11.50.43

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Präsident! Hohes Haus! Es geht heute um das Insolvenzrecht für Staaten. Wenn man sich die Frage stellt, ob man so etwas braucht, dann muss man eindeutig sagen: Nein, das braucht man nicht, weil es so etwas ja schon gibt! – Es gibt ein sogenanntes Insolvenzrecht, das zwar nicht als verbrieftes und geschriebenes Recht zu finden ist, sondern seit 600 Jahren gelebte Praxis ist.

Wenn man sich die Staatspleiten der letzten 600 Jahre ansieht, dann weiß man, dass Insolvenzen von Staaten immer nach dem gleichen Muster ablaufen: Ein Staat geht pleite, und die massivsten Auswirkungen hat das hauptsächlich auf die Gläubiger. (Abg. Kogler: Na was denn sonst?) Das heißt, der Staat hat gar kein Problem, wenn er pleitegeht, er muss weder irgendetwas verkaufen noch irgendetwas in Zahlung geben, nein, das Problem haben die Gläubiger. Und genau das ist der Hintergrund dafür, dass versucht wird, da ein Insolvenzrecht einzuführen, was ja nichts anderes bedeuten soll, als dass man umverteilt, nämlich von den Gläubigern zu jenen, die nichts dafür können, nämlich zu den Steuerzahlern. Darum geht es nämlich auch, und genau das ist der Hintergrund bei Griechenland.

Griechenland hätte vor fünf Jahren ohne Weiteres pleitegehen können; das hätte nur die Gläubiger belastet. Damals waren die deutschen und französischen Banken die Gläubiger, und da diese im Jahre 2010 von der Finanzkrise noch etwas gebeutelt waren und einen guten Draht zur Regierung hatten, haben sie gebeten, dass man Griechenland nicht fallen lässt. Und jetzt – fünf Jahre später – sind wir in der Situation, dass uns Griechenland genau das Doppelte dessen kosten wird, was es uns damals gekostet hätte.

Das ist der Hintergrund, warum man Griechenland nicht in die Pleite geschickt hat. Für den Steuerzahler wäre das besser gewesen; damals hätte es nur die Hälfte dessen gekostet, was er heute zahlen muss.

Jeder, der einen Taschenrechner bedienen kann und über das Bildungsniveau der Volks­schule hinausgekommen ist, kann sich ausrechnen, dass Griechenland nicht zu


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