Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll83. Sitzung / Seite 217

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kommissarische Substitution“ vorkommen, dann mag das vielleicht das Juristenherz verzücken, aber der durchschnittliche Bürger steht vor einem Rätsel, wenn er solche Begriffe liest.

In manchen Punkten hätte ich mir gewünscht, dass die Reform durchaus weiter geht, und ich möchte das an einem Beispiel zeigen: die Lebensgefährten. Die Lebensge­fährten sind heute eine gesellschaftliche Realität, sind aber im Erbrecht unserer Meinung nach immer noch sehr schlecht gestellt. Sie haben zwar einen ersten Schritt gemacht, Herr Minister, und nähern sich sozusagen dem Lebensgefährten-Erbrecht an, aber ehrlicherweise muss man sagen – und ich glaube, da werden Sie mir nicht wider­sprechen –: Auch nach Ihrem Konzept erbt ein Lebensgefährte erst, wenn der oder die Verstorbene praktisch keine Familie hat. Das kann ein tragisches Einzel­schicksal sein, aber dass man keine Kinder, keine Eltern, keine Geschwister und keinen Cousin und keine Cousine hat, kommt jedenfalls äußerst selten vor. Das heißt, das, was Sie einführen, dieses Lebensgefährtinnen-/Lebensgefährten-Erbrecht ist sehr theoretisch.

Es ist schon klar – man muss präzise sein –: Jemand heiratet bewusst nicht, das heißt, eine Gleichstellung der Lebensgefährtin oder des Lebensgefährten mit den Ehe­partnern kann nicht das Ziel sein, weil wir diese Entscheidungsfreiheit dem Einzelnen ja auch lassen müssen. Es hätte aber trotzdem Sinn gemacht, in einem gewissen Segment ein gesetzliches Erbrecht für die Lebensgefährtinnen und Lebensgefährten einzuräumen, nämlich im Bereich der allgemeinen Gebrauchsgegenstände wie Haus­haltsgegenstände, Auto, Computer, Dinge, die man gemeinsam nutzt, oft gemeinsam anschafft. Oft tritt dann plötzlich der Fall ein, dass es entweder nicht geklärt ist, wem das gehört, oder jener, der verstorben ist, die Dinge angeschafft hat und die dann plötzlich entzogen sind. Ich weiß schon, dass Sie auch da zumindest die Möglichkeit einräumen, diese Gegenstände noch ein Jahr zu verwenden. Das ist uns aber zu wenig, da wäre ein Schritt mehr sinnvoll gewesen.

Der zweite Punkt, der mir wichtig ist, ist die gesamte Thematik Pflege und Berück­sichtigung im Erbrechtsfall. Da muss man unserer Meinung nach aufpassen. Es ist schon richtig: Wenn jemand einen Beitrag leistet, dann ist es durchaus gerecht, dass man das vielleicht bei der Aufteilung des Erbes berücksichtigt. Was aber nicht pas­sieren darf, ist, dass die Politik glaubt, dass sie damit die gesamte Pflege-Thematik ins Private delegieren kann. Es ist nach wie vor Verantwortung der Politik, ein funktio­nierendes Pflegesystem zur Verfügung zu stellen – aus unterschiedlichsten Gründen: zum einen, weil viele diese private Pflege gar nicht leisten können. Alle, die wir hier sitzen, haben einen beruflichen Aufwand, der es wahrscheinlich gar nicht zulassen würde, einen Pflegefall, der sehr zeitintensiv ist, zu übernehmen. Das heißt, das ist keine Lösung.

Zweitens muss man aufpassen, dass man das nicht ins Familiäre delegiert und dass dort dann überwiegend Frauen in der Pflege ausgepowert werden. Drittens – das wird spannend sein, und das werden wir noch genau beobachten –: die erhöhte Gefahr von Streitigkeiten im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens wegen dieser Pflegeleistungen. Wir alle kennen ja solche Fälle: Wurde gut gepflegt? Wie viel wurde gepflegt? Wer hat gepflegt? Warum wurde gepflegt? Das ist natürlich ein endloser Pool an möglichen Streitigkeiten.

Summa summarum: Wir werden der Gesetzesnovelle zustimmen, glauben auch, dass es durchaus legitim ist, dass Pflegeleistungen abgegolten werden, aber es darf keines­falls dazu führen, dass sich die Politik aus der Verantwortung nimmt. Ein funk­tionie­rendes Pflegesystem, funktionierende Betreuungseinrichtungen sind absolut notwendig und unersetzlich. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.51

 


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