Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll85. Sitzung / Seite 183

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Auch Landeshauptmann Kompatscher hat mir in einem Vier-Augen-Gespräch gesagt, dass er sich schon wünschen würde, die Interessen Südtirols öfter und intensiver hier im Parlament zu vertreten.

Meine Damen und Herren, aber was heute tatsächlich als Antrag der Bundesregierung auf der Tagesordnung steht, ist etwas, das einem tatsächlich sauer aufstoßen muss, werden doch in einer ganz merkwürdigen Interpretation, einer Rechtsauslegung, die es bis dato nicht gab, die Interessen Südtirols nicht nur massiv gefährdet, sondern tatsächlich eingeschränkt – und das durch jenes Land, das eigentlich die Schutzrolle über Südtirol innehaben und ausüben sollte.

Die Grundprinzipien des Selbstbestimmungsrechts werden nämlich durch die Bundes­regierung – was wirklich weltweit einzigartig ist – dahin gehend interpretiert, dass das Recht der Südtiroler auf Selbstbestimmung durch die laufende, schon gehandhabte autonome Landesverwaltung bereits verwirklicht sei, meine sehr geehrten Damen und Herren. Nach dieser Auffassung ersetzen also in Zukunft Verwaltungsakte von Beam­ten jegliche Volksabstimmung über die eigene Zukunft – und das bei einem Land, das 1918 von Italien annektiert wurde, und zwar gegen den Willen der Bevölkerung! Das ist ein Skandal für eine Demokratie wie Österreich, so eine Rechtsauslegung überhaupt zuzulassen. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Wir Freiheitliche haben natürlich gegen diese Entwicklung massiv protestiert, weil wir der Ansicht sind, dass Selbstbestimmung nicht Autonomie gleichzusetzen ist. Wir haben diesbezüglich auch Rechtsgutachten eingefordert und zum Beispiel Völker­rechts­experten befragt, wie sie zu dieser Auslegung der Bundesregierung stehen. Wir haben den jüngst verstorbenen Universitätsprofessor und ehemaligen Bundesminister in der ÖVP-Regierung Dr. Hans Klecatsky gefragt, wie er dazu steht. Er hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und hat gesagt, das ist eine Rechtsansicht, die ist unfassbar.

Wir haben Herrn Universitätsprofessor Dr. Pernthaler um eine Stellungnahme gebeten. Er hat zuerst geglaubt, das sei ein Scherz, hat aber dann sogar ein Rechtsgutachten darüber erstellt, in dem er zu dem Schluss kam, dass diese Rechtsansicht durch nichts zu rechtfertigen und daher nicht vertretbar sei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Rechtsfolgen, die sich daraus ergeben, sind nämlich gravierend. Österreich hat 1977 die UNO-Menschenrechtspakte hier im Parlament beschlossen. Wenn also dieses Parlament diesen Beschluss getätigt hat, die Bundesregierung heute aber in ihrer Rechtsansicht das Selbstbestimmungsrecht der Autonomie gleichsetzt und eine Neuinterpretation vornimmt, dann sage ich: Dieses Haus hier und sonst niemand hat eine Neuinterpretation zu beschließen. Ansonsten gilt das, was 1977 hier in diesem Haus beschlossen wurde. Diese Rechtsansicht vertreten nicht nur wir, sondern fast alle Völkerrechtsexperten in Österreich. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Ein zweiter Punkt, der uns ganz wesentlich erscheint, ist: Durch den heutigen Be­schluss soll eine Weiterentwicklung der Autonomie in Südtirol in Gang gebracht werden, durch den Herrn Bundesminister, der hier in Marsch gesetzt werden soll, wobei ich weiß, dass er das gar nicht braucht, weil er sich ohnehin sehr viel in Südtirol aufhält und auch mit dem Herrn Landeshauptmann und anderen permanent in Kontakt steht. Es soll aber hier jemand in Marsch gesetzt werden, um eine Weiterentwicklung der Autonomie zu bewirken – wobei er das gar nicht kann!

Ich habe deshalb beim Ausschussvorsitzenden Josef Cap von der SPÖ angefragt, wie es sich denn mit diesem Antrag verhält, der heute zur Beschlussfassung vorliegt, und er hat mir zugestanden, dass die Entwicklung der Autonomie in Südtirol einzig und allein der Südtiroler Landesregierung, dem Landtag, dem Regionalrat und der Republik


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