Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll86. Sitzung / Seite 74

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päischen Politik aufwirft, dann heißt es gleich: Sie wollen sich vor den konkreten Lö­sungen drücken! Aber wozu haben denn diese Regulierungsmaßnahmen in Griechen­land und in der Europäischen Union geführt? (Abg. Lopatka: Wo ist Ihr Vorschlag?) Wozu hat denn dieses endlose Spardiktat geführt? Griechenland hat sechs Sparkurse hinter sich, mit einer Schrumpfung des Bruttoinlandsproduktes von mehr als 20 Pro­zent.

Blenden wir einmal zurück ins Jahr 2010! Bei den Prognosen für das Jahr 2011 hat es geheißen: Mit einer Schrumpfung von 4 Prozent wird Griechenland aus der Krise he­rauskommen. Mittlerweile sind wir bei mehr als 20 Prozent. Da kann doch irgendetwas nicht stimmen an diesem Kürzungs- und Spardiktat! Es funktioniert schlicht und einfach nicht. (Abg. Lopatka: Warum hat es in Irland funktioniert, in Portugal?) Es kann nicht funktionieren!

Wie hoch war denn der Preis in Irland, Herr Kollege? Schauen Sie sich einmal die Arbeitslosenquoten an, in Griechenland und überall! (Abg. Lopatka: Die Arbeitslosig­keit geht zurück in der Eurozone!) Und schauen Sie sich an – darauf werde ich noch zu sprechen kommen – einen Vergleich zwischen der Eurozone und der USA! Eine Ver­längerung dieses Spardiktates – und darüber hat Griechenland in dieser Abstimmung befunden – würde das Ganze nur noch verschärfen. Und ich verstehe, warum die Griechen in diesem Referendum Nein gesagt haben. (Beifall bei den Grünen.)

Die Folgen dieser Kürzungspolitik sind ja sattsam bekannt. Das, was Griechenland ge­genwärtig erlebt, haben wir in Europa in den Auswirkungen seit der Weltwirtschafts­krise 1929 nicht mehr erlebt. Es ist ein humanitäres und soziales Desaster ausgebro­chen. 40 Prozent der Kinder leben in Armut, die Säuglingssterblichkeit steigt rasant an, und wir erleben eine Jugend ohne Zukunft. 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit! Und ich denke, genau das dürfen und wollen wir in Europa nicht zulassen. Das ist eine Schan­de für Europa! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Am Prüfstand im Zusammenhang mit der Lösung der Griechenland-Politik steht näm­lich die gesamte Wirtschaftspolitik der Europäischen Union. Die Wirtschaftspolitik der Europäischen Union baut auf zwei Bausteinen auf: Erstens: Kürzungspolitik ohne En­de, Austeritätspolitik um jeden Preis. Zweitens: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, und die wird zum Dogma erhoben.

Vergleichen wir die Entwicklung in den USA und die Entwicklung der Eurozone nach der Krise 2007, dann sehen wir, dass das Wirtschaftswachstum in den USA steil nach oben geht, dort ist man weit über dem BIP-Niveau des Jahres 2007. (Abg. Lopatka: Das ist Ihr Modell, die USA? Das werden wir uns merken!) Die Eurozone wird vielleicht gerade einmal heuer das Niveau von 2007 erreichen. Die Arbeitslosenquote in den Eurozoneländern steigt, in den USA sinkt die Arbeitslosenquote. Trotz des Austeritäts­kurses steigen die Staatsschulden in fast allen Ländern. Ich würde aber sagen: gerade deshalb! Nicht trotz des Austeritätskurses, sondern genau deshalb, weil es diesen gibt! Und es steht jetzt ein Kurswechsel in Europa an. Es steht ein Kurswechsel an! Es kann nicht darum gehen, dass pausenlos nur auf Griechenland und auf das, was Griechenland machen muss, geschielt wird. Dort rennt sicher vieles falsch, und da ist auch viel Richtiges gesagt worden; Werner Kogler hat schon auf vieles hingewiesen. Aber es geht auch um die Zukunft der Eurozone, um die Zukunft Europas. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt besteht die Chance für einen einmaligen Kurswechsel in Europa. Und diese Chan­ce muss wahrgenommen werden. Es besteht die Chance für eine Zeitenwende, weg von einer Kürzungspolitik ohne Wenn und Aber hin zu einer sozialen und ökologischen Politik in Griechenland, aber auch in der EU. Wir brauchen in Europa schlicht und ein­fach eine Rückkehr zu dem, was wir den alten Wohlfahrtsstaat genannt haben. Wer das heute fordert – Syriza fordert im Prinzip nichts anderes –, wird sofort ins Lager der


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