Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung / Seite 74

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Tod dieser 71 Menschen hat uns, denke ich, alle sehr entsetzt zurückgelassen, auch weil man nicht anders kann, als darüber nachzudenken: Was ist ihnen vorher passiert? Welchen Weg haben sie vielleicht schon geschafft? Sie sind Krieg und Verfolgung entkommen und sind bereits bis auf den Boden der Europäischen Union, vielleicht bis Ungarn oder Österreich gekommen. Und was geht in dir vor, wenn du als Mutter dann überlegst: Gehe ich mit meinem Kind in so einen Laster hinein? Welche Todesangst musst du vorher ausgestanden haben, dass du dich zu solchen Schritten entscheidest!

Das ist ja das Entsetzliche, und das erschüttert uns neuerlich und immer wieder, die-
ses Sterben von hilflosen Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie auf solche Flucht­wege angewiesen sind.

Ich bin sehr froh darüber, dass ich das heute öfters gehört habe, und ich habe es in den letzten Tagen auch schon öfters gelesen als vorher, dass wir endlich legale Einrei­semöglichkeiten für Kriegsflüchtlinge schaffen müssen, ansonsten wird das weiterge­hen. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS.)

Es hat aber etwas ausgelöst, glaube ich, diese Nähe zu einer Ortschaft, die wir alle kennen, zu Autobahnen, die wir alle kennen. Also die Welle der Hilfsbereitschaft, die gestern die Züge begleitet hat von Wien über St. Pölten, über Linz, über Salzburg, die Wasserspenden, die Windeln, die Babynahrung, das ist etwas sehr Schönes, und es schließt an viele Traditionen in vielen Gemeinden Österreichs an, die in den letzten Jahren schon sehr, sehr viel geleistet haben, gemeinsam mit den Organisationen, mit den Bürgermeistern, und auf das können wir wirklich stolz sein. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wundert mich nicht, dass eine Fraktion im Haus gegen dieses Bundesverfassungs­gesetz ist, weil das ein Widerstand ist, den wir auf vielerlei Ebenen merken, in jeder Gemeinde, wo Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Selbst wenn es nur um Kin­derflüchtlinge geht, wenn es um Kinder geht, die alleine sind, um minderjährige unbe­gleitete Flüchtlinge, ist die FPÖ dagegen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Wogegen?) Ich verstehe das nicht.

Ich verstehe das nicht, wenn Sie in die Gesichter dieser Familien schauen. Jetzt kom­men mittlerweile schon die Familien. Früher waren es die jungen Männer, die versucht haben, sich durchzuschlagen, aber jetzt sind es wirklich die Familien mit Kindern. Es ist mir unbegreiflich, wie man hier vom Schützen von Grenzen reden kann, wenn es um das Schützen von Menschenleben geht. Wir wollen Menschenleben schützen und nicht Grenzen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Natürlich kann man gegen so einen Eingriff mit einem Bundesverfassungsgesetz vie­lerlei Gründe nennen und sagen, es ist schwierig, es handelt sich hiebei um Kompe­tenzen. Ich bin in diesem Fall zu hundert Prozent der Meinung, es ist jetzt keine Zeit für Kompetenzstreitigkeiten. Spätestens im September wird es kalt, und ich möchte keine obdachlosen Menschen mehr in Traiskirchen oder irgendwo anders in nicht wetterfes­ten Zelten untergebracht sehen.

Deswegen waren wir Grüne in der Sekunde bereit, über eine menschenwürdige Unter­bringung von Flüchtlingen hier in Verhandlungen einzutreten, und ich finde, das Gesetz kann sich auch sehen lassen. Es ist eine sehr gute Lösung geworden. (Beifall bei Grü­nen, SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Es geht jetzt auch um einen Weckruf, einen Mahnruf auch an die europäischen Ent­scheidungsträger, an die europäische Politik. Es ist eine sehr große Herausforderung. Angela Merkel hat das auch sehr selbstbewusst gesagt. Sie hat gesagt: Die Ankunft dieser Flüchtlinge, dieser Kriegsflüchtlinge … – Ich möchte auch das Wort „Flüchtling“ etwas hinterfragen. Du gehst auf die Flucht. Aber was hat man in Syrien erlebt? Ich meine, da sind Hunderttausende Menschen ermordet worden in diesen Gefängnissen


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