Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung / Seite 77

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Im zweiten Satz heißt es: „Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt“ – hoffentlich!, füge ich hinzu – „und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“

In welchem Geist begegnen wir den Menschen, die aus Kriegsgebieten zu uns kom­men, aus Syrien, aus dem Irak oder aus Afghanistan, die in ihrem Land überhaupt kei­ne Chance haben, ein halbwegs menschenwürdiges Dasein zu fristen?

Im Artikel 3 dieser Deklaration heißt es: „Jeder hat das Recht auf Leben“ – eigentlich eine Selbstverständlichkeit –, „Freiheit und Sicherheit der Person.“

Dieses Recht auf Leben zwingt diese Menschen, zu uns zu kommen, sonst haben sie dieses Recht verwirkt. Das sollten wir sehen, wenn wir diese Debatte führen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Ja, die Hilfsbereitschaft ist groß im Land. Menschen helfen Menschen. – Vizekanzler Mitterlehner hat es schon angesprochen. Es geht hier nicht um eine Sache. Es geht um Menschen wie uns, die wir heute hier im Parlament sitzen und das Wort ergreifen können. Junge und Alte helfen, Christen und Humanisten. Und auch nicht zu verges­sen ist die Leistung jener, deren Job es ist, da ihre Arbeit zu tun. Da denke ich vor al­lem auch an die Polizisten und an die Chefin des Innenressorts, die in den letzten Mo­naten eine beinahe übermenschliche Arbeitsleistung erbracht hat. Großer Respekt, Han­ni Mikl-Leitner, für deine Arbeitsleistung! (Beifall bei der ÖVP.)

Österreich ist kein gespaltenes Land, und wir müssen alles tun, dass es nie dazu kommt, wenngleich man Risse hier schon sehen muss. Schreckliche Wortmeldungen in sozialen Netzwerken erinnern mich an die dunkelste Zeit im vorigen Jahrhundert. Und auch bei Wahlkämpfen werden Reden gehalten, die man eigentlich nicht notwen­dig hat. Ich weiß, worum es in Wahlkämpfen geht. Natürlich geht es darum, möglichst erfolgreich zu sein. Aber auch da sollten Grenzen nicht überschritten werden.

Klubobmann Strache, ich unterscheide mich da schon fundamental von Ihnen: Ich will kein Österreich, das von einem Stacheldraht umgeben ist, wie Sie es in den „Oberös­terreichischen Nachrichten“ gemeint haben. (Der Redner zeigt einen Zeitungsartikel.)

Das unterscheidet uns! Wir wollen kein Österreich, das von einem Stacheldraht um­zäunt ist! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Strache: Da sind Sie die Unterstützer der Schleppermafia!)

Dabei bleibt diese Menschenwürde auf der Strecke. Klubobfrau Glawischnig hat es an­gesprochen. (Abg. Strache: Schleppermafia unterstützen!) Nein, es geht um die Fami­lien, die dem Tod entkommen sind, die mit ihren Kindern auch diesen Stacheldraht zu überwinden versuchen. Das dürfen Sie dabei nicht vergessen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Das ist der Unterschied zwischen einer christdemokratischen Partei und Ih­nen: Die Würde des Menschen, jedes Menschen, ist für uns unantastbar. Diese Würde schützen und verteidigen, genau das wollen wir, auch gegen jene Kräfte, die den Flüchtlingen diese Würde absprechen. Genau darum geht es. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Dann schützen Sie doch die Österreicher vor der Schleppermafia!)

Was stimmt mich hier optimistisch? – Mich stimmt optimistisch, dass die Gruppe jener, die helfen wollen, viel, viel größer ist als die Gruppe, die mit Hetze hier einen Keil in unsere Gesellschaft treiben will. Das stimmt mich in dieser schwierigen Situation opti­mistisch.

Meine Damen und Herren, wir brauchen diese Hilfsbereitschaft in den österreichischen Gemeinden. In vielen Gemeinden funktioniert das bereits. Wir brauchen aber auch in­nerhalb von Österreich eine faire Lastenverteilung. Daher bin ich fest davon überzeugt, dass wir das, was wir mit diesem Bundesverfassungsgesetz wollen, nämlich dass alle hier angehalten werden, ihren Beitrag zu leisten, in Österreich auch schaffen werden.

Ich war im Sommer in meinem Wahlkreis in zwei Dutzend Gemeinden unterwegs und habe dort mit unseren Bürgermeistern und ihren Gemeinderäten gesprochen. In mei-


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