Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung / Seite 76

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sie menschenwürdig untergebracht sind. Dieses Gesetz regelt Mindeststandards, re­gelt einen eigenen Schlafplatz. Ich möchte nicht, dass Sie dagegen stimmen. Stimmen Sie dafür, denn Sie können nicht dagegen sein, dass es einen eigenen Schlafplatz gibt, Sie können nicht für Obdachlosigkeit in Traiskirchen sein! Das kann es einfach nicht sein.

Die Bürgermeister, die Gemeinden müssen informiert werden. Jede Gemeinde, jeder Be­zirk, der sich jetzt in dieser Form engagiert, hat keine Notwendigkeit einer Ersatzvor­nahme. Es ist auch ein Anreizsystem, auch wirklich selbst aktiv zu werden, sich mit an­deren Gemeinden zusammenzuschließen, und das wird auch geschehen.

Wichtig ist auch der Vorrang für gemeinnützige Organisationen beim Betreuen von Flüchtlingen. Ich halte es für falsch, ich habe es damals als eine falsche Entscheidung von der schwarz-blauen Bundesregierung empfunden, das gewinnorientierten Unter­nehmen anzuvertrauen. Ich halte unsere Caritas, Diakonie, unseren Samariterbund, unser Rotes Kreuz für die absoluten Profis in diesem Bereich, und ich hätte mir ge­wünscht, dass die bei der Vergabe dieser Versorgung auch vorrangig mit eingebunden werden. Das ist jetzt mit diesem Gesetz wieder garantiert, und ich finde, das ist eine gute Lösung. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Es wird jedenfalls zu einer Normalisierung beitragen, auch zu einer Normalisierung der Diskussionen. Es gibt viele Ortschaften, die diese Thematik nur aus den Medien ken­nen, viele Menschen, die noch nie mit Flüchtlingen direkten Kontakt gehabt haben. Da zählt schon die Erfahrung, die Geschichte hinter den Menschen. Jede einzelne Ge­schichte ist hörenswert, jede einzelne Geschichte ist die Geschichte eines Menschen.

Wenn Sie sich solche Dinge im Kino anschauen, dann können Sie hinausgehen und sagen: Das ist nur ein Film gewesen. – Aber es ist kein Film! Jedes einzelne dieser Schicksale ist ganz grausame Realität, und an dem werden wir auch gemessen wer­den. Ich bin froh, wenn meine Kinder mich einmal fragen: Was habt ihr damals beige­tragen?, sagen zu können, wir haben zumindest versucht, das zu tun, was wir können.

In diesem Sinne bitte ich Sie noch einmal, die Ablehnung dieses Gesetzes zu über­denken und mitzuwirken, dass wir den Menschen in Österreich, die entkommen sind, auch eine menschenwürdige Unterbringung garantieren können. (Beifall bei den Grü­nen sowie bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und NEOS.)

12.18


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Lo­patka. – Bitte.

 


12.19.05

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, wir stehen vor einer der größten Herausforderungen der Zweiten Republik. Allerdings möchte ich den Österrei­cherinnen und Österreichern von dieser Stelle aus auch sagen: Fürchten Sie sich nicht! Österreich hat solche Herausforderungen schon bewältigt. 1956 kamen 180 000 Men­schen aus Ungarn – Sie haben gerade vorher Ungarn genannt – zu uns. 1968 waren es 162 000 Menschen aus der damaligen Tschechoslowakei und Anfang der neunziger Jahre 90 000 Menschen aus Bosnien-Herzegowina, große Flüchtlingsströme. Auch jetzt haben Tausende die Grenze überschritten. Im heurigen Jahr sind es bis heute et­was mehr als 40 000.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat die Menschenrechtsdeklaration angesprochen, die am 10. Dezember 1948 von den Vereinten Nationen beschlossen wurde, und er hat den ersten Satz von Artikel 1 zitiert:

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“

 


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