Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung / Seite 92

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Heute ist der 1. September, der Weltfriedenstag, und ich bin als Bürgerin, aber vor al­lem als Mensch dankbar, dass ich in Frieden leben darf und kann. Sehr viele Men­schen in Syrien und im Irak haben dieses Glück derzeit nicht, und deshalb die steigen­den Asylzahlen in den letzten Jahren.

Wer die Bilder von den Familien gesehen hat, die am Budapester Bahnhof zu Hun­derten hausen – so muss man es leider nennen –, wer gestern die Bilder gesehen hat von den Zügen mit diesen verzweifelten Flüchtlingen – für die Ungarn übrigens keine Flüchtlingsquartiere bereitstellt, nicht einmal Massenlager zuweist, die also schlicht und ergreifend in Budapest auf der Straße stehen und keine Unterkunft, kein Essen, ein­fach nichts bekommen, zumindest nicht vom Staat, vielleicht von engagierten Bürgern und Bürgerinnen –, der weiß, dass wir historische Tage erleben.

Wir erleben in diesen historischen Tagen, dass das Dublin-System – dieses unsolida­rische, ungerechte, nicht funktionierende Dublin-System, das die gesamte Verantwor­tung für in der EU ankommende Flüchtlinge auf einige wenige Länder wie Italien, wie Griechenland oder Malta abwälzt (Abg. Lugar: Das hat schon seinen Sinn!) – zusam­menbricht. (Abg. Lugar: Überhaupt nicht, es hält sich nur keiner daran!)

Das haben auch Angela Merkel und die deutsche Regierung erkannt, deshalb haben sie gesagt: Es hat keinen Sinn, syrische Flüchtlinge nach dem Dublin-Übereinkommen kreuz und quer durch die EU zu schicken. Deshalb haben sie gesagt: Dublin funktio­niert nicht, und wir setzen das Dublin-System zumindest zeitweise aus. (Beifall der Abg. Gisela Wurm.)

Diesem Beispiel könnten und sollten wir folgen. Warum ist Dublin gescheitert? – Weil Dublin sagt, ein Asylwerber muss dort bleiben und sein Asylverfahren durchlaufen, wo er erstmals EU-Boden betritt. Das ist, wie gesagt, in den allermeisten Fällen Italien, Griechenland, Malta oder in manchen Fällen Spanien, und diese Länder – immerhin befinden wir uns im fünften Jahr des Syrien-Krieges – können einfach nicht mehr! Die­se Länder können nicht die gesamte Verantwortung für die EU übernehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Bürgerinnen und Bürger! Es ist höchste Zeit, als Europäische Union – und die EU sind wir alle! – gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, gemeinsam ein solidarisches EU-Asylsystem aufzubauen, das eben nicht sagt: Ach, sollen die Griechen, sollen die Italiener, sollen die Spanier tun, die meisten restlichen Länder können sich zurücklehnen und haben mit dem Ganzen überhaupt nichts zu tun.

In den letzten Tagen wird angesichts des schrecklichen Todes von 71 Flüchtlingen, un­ter ihnen vier Kinder, sehr viel über Schlepper gesprochen. Dass diese Menschen qual­voll erstickt sind, dass ihr Leben in einer Art und Weise geendet hat, die wir uns alle höchstwahrscheinlich gar nicht vorstellen können und auch nicht vorstellen wollen – für uns selber nicht und für unsere Liebsten nicht, für unsere Kinder nicht, für unsere Ge­schwister nicht, für unsere Eltern nicht (Abg. Hübner: Schuld ist die FPÖ dran, das fehlt noch!) –, das ist keine einmalige Tragödie, das ist keine Ausnahme, sondern Fol­ge und Ausfluss ganz konkreter Flüchtlingsabwehr-Politik (Abg. Hübner: Genau, damit die Partei …!), und diese Flüchtlingsabwehr-Politik gehört sofort geändert, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die bezahlten Schlepper sind Symptom eines kranken EU-Asylsystems, das versucht, Flüchtlinge um jeden Preis abzuwehren. Wenn man versucht, die Grenzen noch dich­ter zu machen, noch mehr Stacheldraht aufzuziehen, noch mehr Kontrollen durchzu­führen, dann wird das leider zu noch höheren Schlepperpreisen, zu noch riskanteren Reisen und zu mehr Flüchtlingstoten führen. Das ist zu befürchten. (Abg. Hübner: Eine Reise muss so leicht wie möglich sein, eine Million pro Jahr legal …!)

Deshalb braucht es endlich legale Fluchtwege in die EU, damit Menschen auf bezahlte Schlepper eben nicht mehr angewiesen sind, damit sie ganz legal einreisen und hier


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